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In einer zunehmend von Ungleichheit geprägten Welt leistet Europa Widerstand

Der erste Bericht über die weltweiten Ungleichheiten macht die wachsende Schere zwischen Reichen und Armen deutlich. Insgesamt betrachtet stellt Europa eine Ausnahme dar.

Veröffentlicht am 19 Dezember 2017 um 09:57

Anhand des Berichts zur weltweiten Ungleichheit 2018, der am 14. Dezember veröffentlicht wurde, und eine Reihe origineller Daten enthält, kann die Geographie und Dynamik der internationalen Ungleichheiten in den letzten drei Jahrzehnten nachgezeichnet werden. Das World Inequality Lab, zu dem Wirtschaftswissenschaftler wie Thomas Piketty, Facundo Alvaredo und Lucas Chancel gehören, zählt weltweit über 100 Forscher, mit deren Hilfe es gelungen ist, eine frei zugängliche Datenbank aus über 175 Millionen Zahlen anzulegen. Mit ihrer Hilfe ist es gelungen, ein erstes globales Bild der Ungleichheiten zu erstellen. Wo befindet sich Europa in diesem weltweiten Überblick?

In den vergangenen Jahrzehnten sind die Ungleichheiten überall auf der Welt stark angestiegen. Allerdings gibt es in den einzelnen Regionen große Unterschiede. In Europa ist das Verteilungsgefälle am schwächsten. Das beweist, dass die nationalen Behörden (Besteuerung, öffentliche Dienstleistungen, usw.) eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Ungleichheiten möglichst in Grenzen zu halten. In den USA, und der Nahost-Region scheint die Ungleichheitsdynamik viel stärker ausgeprägt: In ihren extrem polarisierten Gesellschaften stehen sich die gegenüber, die von den Erdöleinkünften profitieren, und jene, die in ihrem Dienst stehen, d. h. Ausländer und Arme.

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Schaut man sich die Dynamik der Einkommensunterschiede in Europa und den USA an, wird deutlich, dass sie auf beiden Kontinenten zugenommen haben. Auf dieser Seite des Atlantiks allerdings in viel geringerem Maße: Während auf 1 Prozent der wohlhabendsten Amerikaner 20 Prozent der Einkommen entfallen, liegt diese Zahl in Europa bei 12 Prozent. Seit Mitte der 1990er Jahre gilt in den USA: Solange die Armen immer ärmer werden, werden die Reichen immer reicher. In Europa haben die Wohlhabendsten dagegen zwar an Bedeutung gewonnen, jedoch sind die zwei Kurven noch weit davon entfernt, sich zu kreuzen.

Die Zahlen betreffen Westeuropa. Was aber würde passieren, wenn man die Länder im Osten berücksichtigen würde? Kein Unterschied: Den wohlhabendsten 10 Prozent gehören 37 Prozent der Einkommen im Westen, 38 Prozent im Osten des Kontinents.

Die Autoren des Berichts haben ebenfalls vorausschauende Prognosen gemacht. Wenn die weltweiten Ungleichheiten dem Trend der letzten drei Jahrzehnte folgen, werden sie sich in den kommenden Jahren verschärfen. In einer an der amerikanischen Dynamik orientierten Welt würde der prozentuale Einkommensanteil des einem wohlhabendsten Prozent von 20 Prozent auf 30 Prozent der weltweiten Einkünfte steigen. Folgt sie dagegen dem europäischen Kurs, würde sie geringfügig sinken. Das wäre zwar besser, würde aber längst nicht ausreichen, um die allgemeine Tendenz unseres gegenwärtigen Kapitalismus - die Verschärfung des Reichtumgefälles - in Frage zu stellen.

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