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Das Ende der Schweizer Steueroase?

In der Schweiz ist die Tätigkeit der europäischen Banken zum Erliegen gekommen, so dass die Eidgenossenschaft als immer weniger profitabler Finanzplatz aussieht.

Veröffentlicht am 25 Oktober 2018 um 17:38
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Die Schweiz ist damit beschäftigt, ihr Bankgeheimnis-System für ausländische Kunden zu straffen und zu reformieren und verliert allmählich ihre Position als führendes Finanzzentrum der Vermögensverwaltung. Ausländische Banken ziehen sich nach und nach aus dem Land zurück. Im Jahr 2008 zählte ein Bericht der Schweizerischen Nationalbank 154 ausländische Institute und Filialen. Ihre Zahl sank 2016 schrittweise auf 107. Die Bareinlagen von gebietsfremden Kunden gingen im Jahr 2015 um 6,4 Prozent zurück. 2016 stiegen sie wieder an, gehen bei den ausländischen Banken aber weiter zurück.

Der Rückzug der Banken

Die in den Länderberichten der 20 größten Banken der Europäischen Union veröffentlichten Zahlen bestätigen diesen Abwärtstrend beim Volumen ihrer Aktivitäten. Damit ist die Schweiz zu einem der am wenigsten profitablen Ziele für den Offshore-Betrieb dieser Institute geworden, weit hinter Ländern wie Irland oder Luxemburg. Es gibt mehrere Anzeichen für einen Rückgang der Aktivität und Rentabilität dieser Einrichtungen in der Eidgenossenschaft. Im Jahr 2015 belief sich das Defizit der 20 führenden europäischen Banken auf 228 Millionen Euro, und 2016 auf 285 Millionen Euro.

Im Jahr 2017 setzte die Schweiz auf internationale Standards. Die Rentabilität der europäischen Banken in der Eidgenossenschaft lag 2017 bei 12,5 Prozent. Das bedeutet, dass die europäischen Banken einen Gewinn von 12,5 € pro 100 € Umsatz erzielten. Dieses Niveau liegt näher am internationalen Durchschnitt als der Durchschnitt der Steueroasen. Andere Länder, die als Steuerparadiese gelten, wie Irland und Luxemburg, weisen Rentabilitätsraten von 31,3 Prozent bzw. 64,4 Prozent auf.

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Ebenso scheint die Produktivität der europäischen Bankmitarbeiter in der Schweiz niedriger zu sein als in anderen Ländern. In der Schweiz erwirtschaftete ein durchschnittlicher Bankmitarbeiter im Jahr 2017 49.300 Euro Gewinn. Im Vergleich dazu waren die Beschäftigten derselben Banken in Irland viermal produktiver und in Luxemburg im selben Jahr neunmal produktiver.

Der Rückgang der Mitarbeiterzahl ist das zweite Anzeichen für den Rückzug ausländischer Banken. Zwischen 2015 und 2017 sank die Zahl der Mitarbeiter deutlich: Von 7739 Vollzeitkräften auf 6693.

Die Umsetzung der Verordnung über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen erklärt diesen Rückgang der Banktätigkeit in der Schweiz. Unter internationalem Druck hat die Schweiz mit den europäischen Mitgliedstaaten, den Vereinigten Staaten (FATCA) und den Unterzeichnern des multilateralen Musterabkommens der OECD Austauschabkommen unterzeichnet, welche die Regeln für das Bankgeheimnis lockern. Diese Maßnahmen haben die Steuerflucht für Einzelpersonen erschwert, so dass heute „der Mythos der Person, die mit ihrem Geldkoffer in der Schweiz aufbricht, nicht mehr so einfach ist“, erklärt Manon Aubry, Sprecherin von Oxfam.

Die Schweizer Metamorphose

Aufgrund dieser Maßnahmen taucht die Schweiz für die EU nur noch in ihrer grauen Liste der Steueroasen auf, d.h. der Liste der „Länder, die Verpflichtungen eingegangen sind und weiterhin überwacht werden müssen“. Eine Entscheidung, die nicht gerechtfertigt erscheint, weil „die Schweiz sich im Wandel befindet: Von einem Steuerparadies für Privatpersonen zu einem Steuerparadies für Unternehmen“, warnt Manon Aubry. Um die OECD-Kriterien zu erfüllen, versucht die Schweiz, das Unternehmens-Steuersystem innerhalb der Eidgenossenschaft zu reformieren. Ein Maßnahmenpaket, das laut einem Bericht des UN-Menschenrechtsrates „darauf abzielt, eine niedrige Besteuerung für multinationale Unternehmen und andere Unternehmen aufrechtzuerhalten“.

Die Organisation Tax Justice Network führt die Schweiz in der Rangliste 2018 an der Spitze der Steueroasen. Das internationale Netzwerk stellt fest, dass die Zugeständnisse Transparenz in das Schweizer Bankgeheimnis bringen, aber eigentlich nur „sauberes Geld für reiche und einflussreiche Länder; und schmutziges Geld für verwundbare Entwicklungs- und Schwellenländer“ bedeuten. Mit anderen Worten: Der Informationsaustausch zwischen der Schweiz und einem Drittland findet nur mit wohlhabenden und viel seltener mit armen Ländern statt.

Auf diese Art und Weise wendet sich die Schweiz von Kunden mit Wohnsitz in der EU ab und konzentriert sich auf vermögende Kunden in Ländern, die kein Informationsaustausch-Abkommen unterzeichnet haben. Deshalb ist es „völlig ungerechtfertigt, die Schweiz von der Liste der Steueroasen zu streichen“, bekräftigt Manon Aubry. Die Schweiz ist nach wie vor das führende Land in der Vermögensverwaltung. Jüngste Skandale um die FIFA oder die HSBC-Bank durch die Swiss Leaks haben gezeigt, wie „das Schweizer Bankgeheimnis nach wie vor menschenrechtsfeindlich ist“, erklärt der Bericht des Tax Justice Network.

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