Nachrichten Künstliche Befruchtung in Europa

Vier Fragen zum Verständnis der Gesetzgebung

Die vor mehr als 40 Jahren in Spanien eingeführte medizinisch unterstützte Fortpflanzung hat es Hunderttausenden von unfruchtbaren Paaren ermöglicht, ein Kind zu bekommen. Allerdings sind die Regeln in der Union von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich.

Veröffentlicht am 4 November 2019 um 15:08

In Europa wurden 2015 157.500 Kinder dank der In-vitro-Fertilisation (IVF) geboren, so die European Society for Human Reproduction and Embryology (ESHRE). Aber die diesbezügliche Rechtslage ist in diesem Bereich auf dem Alten Kontinent nach wie vor fragmentiert.

Während eine europäische Richtlinie Normen für die Bedingungen der Verwendung menschlicher Gewebe und Zellen festlegt, bleiben alle ethischen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in der Zuständigkeit der Staaten.

1/ Für wen ist die künstliche Befruchtung möglich?

In Frankreich wird dieses Recht derzeit nur heterosexuellen Paaren gewährt, die medizinische Unfruchtbarkeit oder schwere Krankheiten nachweisen können. Auf dem gesamten Kontinent sind die rechtlichen Kriterien ziemlich unterschiedlich. Zehn Länder haben dieses Recht allen Frauen gewährt, zehn andere haben es ausschließlich heterosexuellen Paaren gewährt, sieben gestatten es alleinstehenden Frauen und ein einziges (Österreich) auch lesbischen Paaren.

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Spanien ist historisch betrachtet das erste europäische Land, das Frauen die medizinisch unterstützte Fortpflanzung ermöglichte, und zwar bereits 1977, dem Jahr, in dem die erste Samenbank des Landes eröffnet wurde. In den letzten fünfzehn Jahren hat sich die Gesetzgebung recht schnell weiterentwickelt. Portugal führte das Recht auf medizinisch assistierte Reproduktion beispielsweise 2006 ein, mit Bestimmungen, die jenen Frankreichs sehr ähnlich waren. 2016 wurde das Gesetz geändert und auf lesbische Paare und alleinstehende Frauen ausgedehnt. Italien hat sich 2004 von der rechtlichen Unsicherheit verabschiedet und die strengsten Gesetze in Europa erlassen: Die künstliche Befruchtung steht dort nur heterosexuellen Paaren offen, ob verheiratet oder nicht, und die Spende von Keimzellen ist verboten.

2/ Wird sie finanziell übernommen?

Derzeit übernehmen 21 Länder einen Teil der Kosten für die medizinisch unterstützte Fortpflanzung. Die anderen sieben, die diese medizinischen Techniken folglich nicht unterstützen, sind: Irland, Zypern, Estland, Lettland, Luxemburg, Malta und Rumänien.

Diese Kostenübernahme ist jedoch an Bedingungen geknüpft. In Belgien wird für jeden vollständigen Zyklus im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation ein Pauschalbetrag von 1.073 € gewährt. Die Frau muss unter 43 Jahre alt sein und darf nicht mehr als sechs IVF-Zyklen durchführen. Ferner wurde eine maximale Anzahl von transferierbaren Embryonen festgelegt, die je nach Alter und Anzahl der durchgeführten Zyklen unterschiedlich ist.
In Frankreich wird die IVF bis zum 43. Geburtstag der Frauvon der Krankenkasse zu 100% erstattet, und zwar auf der Basis von maximal vier IVF-Versuchen und sechs Versuchen der künstlichen Besamung.

Deutschland hat seine Kostenübernahme-Bedingungen im Jahr 2004 verschärft, was zu einem starken Rückgang der Anzahl der verwendeten IVF führte: Von mehr als 102.000 Zyklen im Jahr 2003 auf weniger als 57.000 im folgenden Jahr. Diese Zahl stagniert seither.

3/ Wie hoch ist die Altersgrenze, um davon zu profitieren?

Darüber hinaus schränken 17 Länder den Zugang zu IVF-Technologien ein, indem sie Altersgrenzen für Frauen festlegen. Zehn Länder haben eine maximale Altersgrenze festgelegt, die von 40 Jahren (Finnland, Niederlande) bis zu 50 Jahren (Spanien, Griechenland oder Estland) reicht.

Seit 1994 gehört Frankreich zu den Ländern (neben Deutschland, Spanien, Großbritannien usw.), die das vage Konzept des „natürlichen Fortpflanzungsalters“ anwenden. Im Jahr 2017 entschied sich der Orientierungsrat der Biomedizinischen Agentur für eine Altersgrenze von 43 Jahren für Frauen in den verschiedenen IVF-Situationen.

Zehn Länder, darunter Österreich, Ungarn, Italien und Polen, haben keine Altersgrenzen für diese medizinischen Techniken festgelegt.

4/ Sind Keimzellen-Spenden anonym?

Die meisten europäischen Länder erlauben die Verwendung von Keimzellen eines Spenders. Diese Positionen sind jedoch unterschiedlich, wenn es um Eizellen oder Spermien geht. So genehmigen 20 Mitgliedstaaten der Europäischen Union Samenspenden, von denen 11 die Anonymität garantieren. Unterdessen sind Eizellspenden in nur 17 Staaten möglich (acht davon gewähren Anonymität).

Am 12. April hat der Europarat eine Empfehlung angenommen, in der er die Aufhebung der Anonymität fordert. Im Vereinigten Königreich ist die Anonymität der Samenspende seit 2005 aufgehoben. So können Kinder mit dem Erreichen der Volljährigkeit auf die Identität des Spenders zugreifen.

Der Grundsatz der Anonymität von Keimzellen- oder Embryonen-Spenden wurde in Frankreich im Bioethik-Gesetz von 2011 beibehalten. Allerdings könnte der neue Entwurf eines Bioethikgesetzes, der derzeit diskutiert wird, die Grundlagen ändern.

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