Ideen Europäische Antwort auf die Coronavirus-Bedrohung

Lasst uns beweisen, dass die EU eine echte Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft ist

In diesem offenen Aufruf bittet eine Gruppe von Akademikern, Politikern, Experten und europäischen Bürgern die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten um eine Reihe von dringenden Maßnahmen zur Bekämpfung der aktuellen Coronavirus-Pandemie auf europäischer Ebene.

Veröffentlicht am 17 März 2020 um 20:33

Wir Bürger Europas verstehen, dass Covid-19 für uns alle gemeinsam eine Bedrohung ist. Diese Bedrohung schadet vielleicht einem Land mehr als einem anderen. Dennoch kann der Schaden uns alle, unser tägliches Leben sowie unsere Wirtschaft fast so wie ein Krieg beeinflussen.

Wir Bürgerinnen und Bürger Europas sind besorgt und verängstigt durch diese Bedrohung; und weitaus mehr durch die Kakophonie, den Egoismus und die selbstzerstörerische Kurzsichtigkeit der verschiedenen, unkoordinierten, nationalen Reaktionen; sowie durch die mangelnde Weitsicht unserer nationalen Führer, die so tun, als wüssten sie nicht, dass unsere gegenseitige Abhängigkeit eine einheitliche europäische Antwort mit strengen Eindämmungsmaßnahmen der Pandemien und im Anschluss einen EU-weiten Plan zur Wiederankurbelung der europäischen Wirtschaft erfordert.

Wir europäischen Bürgerinnen und Bürger prangern an, dass die derzeitige EU eine unvollständige Res Publica ist, die für diese Herausforderung schlecht gerüstet ist: mit wenig Kompetenzen und Befugnissen, um den Pandemien zu begegnen. Wir begrüßen sehr positiv die rechtzeitige Entscheidung der Kommission, 25 Milliarden Euro und finanzielle Flexibilität zur Verfügung zu stellen, um dieser Bedrohung zu begegnen.

Wir fordern die europäische Kommission und das Parlament auf, die folgenden dringenden Maßnahmen vorzuschlagen und die nationalen Regierungen aufzufordern, (beginnend mit der Sitzung der Eurogruppe am 16. März und einem darauf folgenden außerordentlichen Europäischen Rat, der bald darauf einberufen wird), auch unter Verwendung der Passerelle- Klausel des Lissabon-Vertrags und vereinfachter Bestimmungen zur Vertragsrevision:

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  1. Die öffentliche Gesundheit und die Bekämpfung von Epidemien wird zu einer konkurrierenden Zuständigkeit der EU gemacht, die dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unterliegt. Die Kommission wird mit außerordentlichen Befugnissen zur Koordinierung der Reaktion auf die Epidemien ausgestattet, wie es eine Bundesregierung tun sollte.

  2. Der Anwendungsbereich des Europäischen Stabilitätsmechanismus wird erweitert, um die unmittelbare Stärkung der europäischen und nationalen Gesundheitssysteme zur Bewältigung der Pandemien zu finanzieren, die das Leben der europäischen Bürger und damit auch die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität der EU bedrohen.

  3. Die obligatorischen ausgeglichenen Budgetvorkehrungen für die EU werden abgeschafft und ein sicheres EU-Guthabens geschaffen, das zur Finanzierung eines EU-weiten Plans zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung und des sozialen Zusammenhalts der EU während und nach einem Notfall ausgegeben wird.

  4. Steuerfragen werden in das ordentliche Gesetzgebungsverfahren verlagert und die EU erhält Steuerbefugnissen zur Annahme neuer Eigenmittel wie beispielsweise die Kohlenstoffsteuer (und Kohlenstoffzölle), die digitale Steuer und die Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung des EU- Haushalts (oder des Haushaltsinstruments der Eurozone, wenn die Entscheidung nur auf der Ebene der Eurozone getroffen werden konnte).

  5. Der nächste mehrjährige Finanzrahmen wir unverzüglich genehmigt und der Haushalt auf mindestens 1,3% des BIP der EU erhöht, wie vom Europäischen Parlament gefordert. Die Genehmigung erfolgt auf Grundlage der derzeitigen Struktur der Haushaltsfinanzierung sowie mit der Bestimmung, mit den neuen Eigenmitteln 2% zu erreichen, um die Bereitstellung wichtiger EU-weiter öffentlicher Güter zu gewährleisten.

  6. Die geplante Konferenz über die Zukunft Europas wird in einen vollwertigen Europäischen Konvent umgewandelt, der einen neuen Verfassungspakt zwischen den EU-Bürgern und den Mitgliedsstaaten ausarbeiten soll.

Wir europäischen Bürger sehen die aktuelle Situation als entscheidende, zukunftsbestimmende Stunde der EU. Die gesellschaftliche Wahrnehmung der EU wird jahrelang durch ihre Reaktion auf diese Krise geprägt sein. Jetzt ist es Zeit zu beweisen, dass die EU eine Wertegemeinschaft mit einem gemeinsamen Schicksal ist, welche die Rettungsleine für ihre Bürger und Mitgliedsstaaten in einer turbulenten globalen Welt mit politischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bedrohungen auswirft. Es ist Zeit für mutige gemeinsame Schritte, um die Angst zu überwinden. Statt nationaler Spaltung ist es Zeit für die europäische Einheit.

Alle Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, diesen Appell zu unterzeichnen, der in mehreren Sprachen hier verfügbar ist. Er wurde von den Philosophen Roberto Castaldi und Daniel Innerarity gefördert und von über 400 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Institutionen aus der ganzen EU und sogar aus Ländern, die noch außerhalb der EU liegen, unterzeichnet.

Unter den Unterzeichnern befinden sich einige der prominentesten europäischen Akademiker ihres Fachgebiets, relevante Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft, von denen viele in den Institutionen eine wichtige Rolle gespielt haben, darunter der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, EU-Kommissare, nationale Minister, Zentralbanker, Mitglieder des Europäischen und der nationalen Parlamente usw. Hier ist eine vorläufige Liste:

Gian-Paolo Accardo, journalist, co-founder of Voxeurop; Alberto Alemanno, École des Hautes Études Commerciales (HEC) Paris; Founder and Director, the Good Lobby; Catherine André, journalist, co-founder of Voxeurop; Daniele Archibugi, Acting Director, IRPPS - Italian National Research Council; Enrique Baron Crespo, Chair Jean Monnet ad personam, Former President European Parliament;Brando Benifei, Member of the European Parliament, Head of the Italian delegation in the Socialist and Democrat Group, Board of the Spinelli Group; Vítor Bento, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas Universidade de Lisboa; former Director of the Foreign Department of the Portuguese Central Bank; former General Director of Treasury, President of Junta de Crédito Público and member of the European Monetary Committe; Tito Boeri, President Triennale di Milano; Full professor Urbanistica Politecnico di Milano; Pierre Brunet, Directeur du Département des Masters de Droit public de l'Ecole de droit de la Sorbonne; Maria Chiara Carrozza, Scuola Superiore Sant’Anna di Pisa, former Rector, former Italian Minister of Education, University and Research; Innocenzo Cipolletta, President Assonime, former director general of Confindustria (Association of Italian Business); Carlos Closa, European University Institute, former Director of the European, Transnational and Global Governance research area; former Deputy Director at the Centre for Political and Constitutional Studies (CEPC) in Madrid, and member of the Venice Commission for Democracy through Law of the Council of Europe; Anna Diamantopoulou, President To Diktio, former Greek Minister and European Commissioner; Rafał Dymek, President Polska Fundacja Robert Schuman; Sergio Fabbrini, Director School of Government at Luiss University; Piero Fassino, President Centro Studi di Politica Internazionale, Vice President Foreign Affairs Committe of the Chamber of Deputies in Italy; Elsa Fornero, University of Turin, Scientific Coordinator of CeRP - Collegio Carlo Alberto, Vice President of SHARE and Research Fellow of IZA and Netspar, Former Italian Minister of Labour and Social Policies; John Erik Fossum, Arena Center for European Studies, Oslo Mahmoud Gebril, former Prime Minister of Lybia; Sandro Gozi, Member of the European Parliament, President of the Union of European Federalists, former Under- secretary of state for European Policies; Aldo Kaslowski, Chairman of Organik holding, former Vice-President of Tusiad (Association of Turkish Business); Guillaume Klossa, writer, founder of EuropaNova and Civico Europa, Sherpa to the reflection group on the future of Europe 2020-2030, former Director at the European Broadcasting Union; Anna Krasteva, New Bulgarian University and CERMES, editor-in-chief of Journal Southeastern Europe; Peter Jambrek, President of the New University, Slovenia; Cristophe Leclercq, Founder of Euractiv Network, President of Euractiv Foundation; Jo Leinen, Former MEP, former President of the Spinelli Group, the European Movement International, the Union of European Federalists; Francesca Longo, President Società Italiana di Scienza Politica; Paolo Magri, Director Istituto per gli Studi di Politica Internazionali (ISPI); Sylwia Majkowska-Szulc, University of Gdańsk, Secretary of the Board of the Polish Association of European Law; Fabio Masini, University of Rome 3, Co-director International Centre for European and Global Governance (CesUE); Giovanni Moro, Chairman of Cittandinanza Attiva; Ferdinando Nelli Feroci, President Istituto Affari Internazionali, former European Commissioner for Industry and Entrepreneurship; Kalypso Nicolaidis, Professor of International Relations at the University of Oxford; Claus Offe, Hertie School of Governance in Berlin; Gianfranco Pasquino, University of Bologna, Johns Hopkins Bologna Center and Fellow of the Accademia dei Lincei; Otto Pfersfmann, Directeur d’Etudes Ecoles des Hautes Etudes en Sciences Sociales / Lier-FYT Paris; Mikolaj Pietrzak, Dean of the Warsaw Bar Association of Advocates; Gaetano Quagliarello, Luiss University, Senator; Dimitrij Rupel, Nova univerza Ljubljana; former Foreign Minister of Slovenia (1990-1993, 2000-2008); Saskia Sassen, Robert S. Lynd Professor of Sociology at Columbia University and a Member of its Committee on Global Thought, which she chaired till 2015; Giuseppe Scognamiglio, Chairman East-West European Institute; Richard Sennett, OBE FBA; Visiting Professor, The Senseable Cities Lab, MIT; Chair, Council on Urban Initiatives, United Nations Habitat, Chair, Theatrum Mundi; Enzo Siviero, Rector eCampus University, Architect; Arnaud Thysen, Director European Business Summit; Nathalie Tocci, Director Istituto Affari Internazionali, former Advisor to VP/HR Federica Mogherini; Nadia Urbinati, Columbia University; Livio Vanghetti, Executive Vice President of Philip Morris; Anna Wessely, ELTE University of Budapest, President of the Hungarian Sociological Association, Editor-in-chief of BUKSZ - The Budapest Review of Books; Vladimiro Zagrebelski, Carlo Alberto College in Turin, former Judge of the European Court of Human Rights; Bénédicte Zimmermann, Directrice d’études at the EHESS Paris

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