Analyse Krieg in der Ukraine und Klima

Wie die Umwelt unter dem Krieg in der Ukraine leidet

Der Krieg in der Ukraine hat tragische Folgen - nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Umwelt. In dem stark industrialisierten und jetzt bereits verschmutzten Gebiet könnten die militärische Auseinandersetzungen und Bombenangriffe sich dramatisch auf die Qualität des Bodens, der Wasservorkommen und der öffentlichen Gesundheit auswirken.

Veröffentlicht am 21 April 2022 um 16:53

Der Krieg in der Ukraine verwüstet eine der am stärksten industrialisierten und verschmutzten Regionen der Welt. Das Erbe der sowjetischen Schwerindustrie beeinträchtigte vor dem Krieg bereits die öffentliche Gesundheit, doch durch die russische Invasion sind die für die Bevölkerung lebensnotwendigen Ökosysteme noch stärker gefährdet. Die Auswirkungen des Konflikts auf die Umwelt werden selbst nach Ende der Kämpfe noch für die zukünftigen Generationen spürbar bleiben.

Krieg ist immer eine Belastung für die Umwelt, doch dies umso mehr, wenn Industrie beschädigt wird, die mit Gefahrenstoffen arbeitet. Zwischen 2014 und 2022 hat der Konflikt im ostukrainischen Donbass, einer stark industrialisierten Region, die Umwelt und die Gesundheit der dort lebenden Menschen  stark gefährdet. Nun erhöht der massive Angriffskrieg Russlands die Gefahr von Umwelt- und Gesundheitskatastrophen weiter: Atomkraftwerke werden eingenommen, Städte, Wärmekraftwerke und Industrieunternehmen mit hochsensiblen Anlagen beschossen. Unter dem Fortschreiten des Krieges leiden auch die Kommunikation und die unmöglich gewordenen Umweltkontrollen vor Ort. Auch gezielte Desinformation beschränkt die Möglichkeiten, Umweltschäden auszumachen und zu begrenzen.

Umweltkatastrophen in der Ukraine

Neben den zahlreichen zivilen Opfern und Flüchtlingen, deren Zahl bisher ungekannte Ausmaße annimmt, wird der russische Krieg in der Ukraine auch verheerende Folgen für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit haben – nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland, Belarus, der Republik Moldau und weiten Teilen Osteuropas. Die Auswirkungen des Krieges auf die Natur können von dauerhafter Verschmutzung, über den Verlust der Bodenfruchtbarkeit und der Lebensgrundlage der Menschen bis hin zur Zerstörung ganzer Ökosysteme gehen.  Auch Industrieunfälle, die in einem so stark industriell geprägten Land wie der Ukraine sehr wahrscheinlich sind, könnten schwerwiegende Folgen mit sich bringen.  

In den Jahren 2013 und 2014 brachen infolge von landesweiten Protesten anlässlich der Entscheidung der Regierung, das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, pro-russische Proteste in der mehrheitlich russischsprachigen Donbass-Region aus. Mit der verdeckten Unterstützung Russlands entwickelten sich im Laufe des Jahres 2014 die Proteste und die Besetzung von Regierungsgebäuden, bis der Konflikt schließlich in einen Krieg eskalierte zwischen den ukrainischen Streitkräften und den separatistischen Milizen, die von russischen Truppen und paramilitärischen Organisationen verstärkt wurden.

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Obwohl Russland seine Beteiligung leugnete, übernahm es de facto die Kontrolle über Teile der Donbass-Region, indem es seine Vertreter einsetzte, Waffen zur Verfügung stellte und auch selbst militärisch präsent war. Seitdem wurden in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk im Donbass eine Vielzahl an schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen begangen, darunter Folter und Zwangsumsiedlung. Die Bevölkerung war nicht nur dem ständigen Beschuss ausgesetzt, der in den 8 Jahren nie wirklich pausiert hat, sondern musste auch mit Ausfällen in der Energie-, Wärme- und Trinkwasserversorgung zurecht kommen.

Zahlreiche ukrainische und internationale Organisationen - unter anderem Zoï Environmental Network, Ecoplatform, CEOBS, PAX, Environment-People-Law, Truth Hounds und die OSZE - warnen schon seit Jahren vor den Folgen des Krieges im Donbass für die Umwelt und die öffentliche Gesundheit. Als Standort von rund 4.500 Bergbau-, Metall- und Chemieunternehmen war die Region auch vorher schon verunreinigt und hat „Europas größte menschengemachte Umweltbelastung“ getragen. Von den Industriebetrieben arbeiten 80 % mit Anlagen und Stoffen, die die Natur gefährden. In der Region befinden sich zudem 200 der insgesamt 465 ukrainischen Schutthalden - riesige Becken, die mit Industrieabfällen und giftigen Substanzen aus den ansässigen Bergbau-, Chemie- oder Metallbetrieben gefüllt sind. Einige der Unternehmen und Anlagen liegen brach oder sind baufällig. Nicht wenige befinden sich in direkter Nachbarschaft zur Kontaktlinie.

Seit Beginn des Konfliktes treten aus stillgelegten oder vernachlässigten Kohleminen giftige und teilweise radioaktive Substanzen direkt in die freie Natur des Donbass aus. Viele Umweltrisiken resultieren aus unvorhergesehenen Unterbrechungen im Bergbau. Das Minenwasser muss konstant abgepumpt werden, sonst staut die giftige Flüssigkeit sich in den Schächten und kann so bis in das Grund- und Trinkwasser gelangen. Aus einem Schacht läuft verunreinigtes Wasser in andere hinein, da viele von ihnen miteinander verbunden sind. In der Mine Yunyi Komunar (Yunkom) kam es beispielsweise 1979 zu einer atomaren Explosion, bei der radioaktives Gas freigesetzt wurde.…

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