Nachrichten Der Sport und die Klimakrise

Internationale Sportwettbewerbe werden immer teurer, auch für das Klima

Ski in der Wüste, Stadien, die nur ein einziges Mal bespielt werden ... Die Fußball-WM in Katar ist nicht das einzige Sportereignis, das Auswirkungen hat. Neue Sprengsätze für das Klima sind in Vorbereitung. Sollte man in einer Welt, die durch den Klimawandel erschüttert wird, überhaupt noch solche Sportveranstaltungen organisieren?

Veröffentlicht am 8 Dezember 2022 um 10:03

Klimatisierte Stadien, die nur einmal bespielt werden, Flugzeuge als „Shuttle“ zu den Spielen ... die Fußball-WM in Katar wirft ein grelles Licht auf die ökologischen Auswüchse des Sport-Business und der großen Messen, die es zelebriert: Die kontinentalen und internationalen Wettbewerbe. „Zu diesen Veranstaltungen kommen Hunderttausende Menschen aus der ganzen Welt, die für ein paar Wochen an Standorte reisen, die manchmal gerade erst aus dem Boden gestampft wurden, und dort konsumieren“, beobachtet die Geopolitologin Carole Gomez, die sich auf die Auswirkungen des Sports auf die internationalen Beziehungen spezialisiert hat.

Im Zuge dessen explodieren die Treibhausgasemissionen, vor allem durch den Flugverkehr. Der Weltfußballverband FIFA  schätzt die Emissionen der WM in Katar auf 3,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, das entspricht den Emissionen von Island und Montenegro in einem ganzen Jahr. Die bisherigen Weltmeisterschaften in  Russland, Brasilien und Südafrika waren mit Emissionen über 2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bereits katastrophal. Diese unterschätzten und schwer zu erfassenden Daten tragen ganz konkret und greifbar zum Klimawandel bei,

aber auch zu direkten Zerstörungen. Für den Bau der Infrastruktur (Sportstätten, Hotels, Autobahnen, Flughäfen usw.) wird die Natur geschädigt. Für die Olympischen Winterspiele in  Russland, die 2014 in einem Kurort ausgetragen wurden, baute das staatliche Unternehmen Olympstroy eine Autobahn durch die Wälder des Kaukasus, die teilweise zum UNESCO Weltnaturerbe gehören. In  Südkorea wurde vier Jahre später der Wald am Berg Gariwang, der aus tausendjährigen Bäumen besteht und als heilig gilt, für Skipisten zerstört. Als die Athleten wieder zu Hause waren, wusste die Provinz Gangwon nichts mit den Sportstätten anzufangen.

Der Wind des Widerstands

So wie sie organisiert sind, „sind diese Wettbewerbe eine Verschwendung in einer Welt, die am Rand des Abgrunds steht und in der die Durchschnittstemperatur in Frankreich  um 3,8 °C höher sein könnte, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts“, erklärt Jérôme Santolini, einer der koordinierenden Personen beim Kollektiv „Scientifiques en Rébellion“, mit Wissenschaftler*innen aller Fachrichtungen, die gegen die Untätigkeit in Klimafragen mobil machen. „Derzeit ist alles völlig unsicher, nur nicht, dass das Ausmaß der Katastrophe von unseren heutigen Entscheidungen abhängt. Die Sportwettkämpfe können nicht aus der Gleichung herausgenommen werden." 

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Kann die WM in Katar einen großen Aufbruch bewirken, weil die ökologischen Absurditäten dort konzentriert auftreten? „Wir erleben einen wichtigen Moment“, schätzt der Sportökonom .Christope Lepetit. Es weht ein Wind des Widerstands zur Melodie des französischen Rap-Titels „plus jamais ça“ (etwa: „das wollen wir nie wieder“). Immer mehr Menschen,  auch Fußballspieler*innen, verurteilen diese Entwicklung. Bürger*innen verpflichten sich, die Spiele zu boykottieren, um der Fifa ihre  Haupteinnahmequelle zu entziehen: die Fernsehrechte. Sie organisieren während der gesamten WM  Alternativveranstaltungen.

Diese Ablehnung „untergräbt Katars Strategie, denn das Land möchte durch ein großes Sportereignis seinen regionalen und internationalen Einfluss ausweiten“, meint die Geopolitologin Carole Gomez. „Katar hat das Ausmaß des Widerstands, vor allem angesichts der zunehmenden Sensibilität der Menschen für Umweltkatastrophen und Menschenrechte, völlig unterschätzt.“ Könnte dies die Durchführung dieser Wettbewerbe gefährden? „Man könnte sich vorstellen, dass dieser schlechte Ruf dazu führt, dass kein Land mehr solche Veranstaltungen ausrichten will. Diese Ablehnung kann man schon bei  Olympischen Spielen beobachten: Es gibt immer weniger Bewerbungen von potenziellen Austragungsorten“, fährt sie fort.

Asiatische Winterspiele in der Wüste Saudi-Arabiens

Die Entscheidungsträger – internationale Gremien wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) oder die FIFA – machen weiter, als sei nichts geschehen. Die WM 2022 in Katar ist der Teppich, unter den ziemlich viel Dreck gekehrt wird. Die nächste WM 2026 wird von 48 statt 32 Mannschaften ausgetragen und die Spiele finden in Kanada, den USA und Mexiko statt. 

„Die Fifa hat einen derartigen Gigantismus durchgesetzt, dass einzelne Länder nicht mehr bereit sind, die Organisation einer Weltmeisterschaft zu übernehmen“, so der Sportökonom Pierre Rondeau. Laut der britischen Tageszeitung The Times bereiten sich nach dem Duo Spanien/Portugal und dem Quartett Uruguay/Argentinien/Paraguay/Chile nun Saudi-Arabien, Ägypten und Griechenland auf eine gemeinsame Kandidatur für die Weltmeisterschaft 2030 vor.

Als ob das Maß nicht schon voll wäre,  trägt Katar 2023 die Fußball-Asienmeisterschaft aus. Diesmal allerdings im Juni-Juli 2023, wenn das Thermometer auf bis zu 50 °C steigt und die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen. Trotz der Bilder von den Austragungsstätten der Olympischen Spiele in Peking - mit Kunstschnee bedeckte Pisten in einem trostlosen Industriegebiet - hat Saudi-Arabien  den Zuschlag für die asiatischen Winterspiele 2029 erhalten und will sie in Neom austragen, einer im Bau befindlichen futuristischen Megalopolis mitten in der Wüste.

Die Befürworter  versichern zwar, dass die Temperaturen dort „im Winter auf unter 0 °C sinken“, sagen aber…

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