Deutschland leidet unter den Folgen einer guten Herrschaft, schreibt Richard David Prechtin seinem Artikel in der Zeit. Unter der blühenden Gegenwart der Republik schwelt das Desinteresse an Politik – auf Politiker- wie auf Wählerseite. Niemand könne Angela Merkel vorwerfen, sich auf nichts mehr festzulegen und keine politische Linie zu verfolgen. "Die Wähler haben ja auch keine". "Der Souverän, das Volk, sucht ohnehin nicht nach Weltanschauungen, sondern maximal nach einer verlässlichen Rating-Agentur für die Sicherheit von Lebensperspektiven." Eingelullt in die individualisierende Marktwirtschaft, seine eigenen Interessen verfolgend, glaube der Wähler nicht mehr an den Staat. Er werde zum Kunden von Politik-Discountern, Konsument im Politikausverkauf. Dass der Mensch "seinem Wesen nach ein Kapitalist sei, ist der Glaube unserer Zeit", und ein Irrtum. Unsere Werte kämpfen gegen die Milliarden an Werbeaufwand einen ungleichen Kampf. Zum Originalartikel...
Staatsbürgerlichkeit
Was tun gegen die sinkende Wahlbeteiligung?
"Vollidiot", "Schwachkopf", "Empfehle Übersiedlung nach Nordkorea" – die deutschen Wähler reagierten recht allergisch auf den Vorschlag eines Abgeordneten, die Wahlpflicht einzuführen. Mit einer Rekordenthaltung von 22,3 % bei den Parlamentswahlen 2005 und von 57 % bei den letzen Europawahlen sei diese Idee nachvollziehbar, bemerkt die Süddeutsche Zeitung. Die Wahlmüdigkeit hat eine neue Generation erreicht und vor allem eine neue Gesellschaftsschicht. Von dem "wer nicht wählt, wählt Hitler" der Nachkriegszeit befreit und unterstützt von einer großen Zahl Intellektueller, stehen die jüngeren Wähler zu ihrer Urnen-Verweigerung und versuchen damit, ein starkes Signal an die politische Elite zu enden. "Sie sind parteienverdrossen. Sie wollen unabhängige und starke Politiker, die sich nicht von Lobbyisten schmieren lassen", schreibt die Münchner Tageszeitung. Vorschläge, wie man dagegen ankämpfen könnte, werden immer lauter: man könnte die Nichtwähler sichtbar machen, indem man die der Enthaltung entsprechenden Sitze im Bundestag frei lässt oder die Parteien entsprechend der Wahlbeteiligung finanzieren. Aber die Botschaft scheint nur schwer anzukommen. Vielleicht, weil man keinen Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und politischer Legitimität herstellt, behauptet die SZ.