Oppositionschef Robert Fico während der Parlamentsdebatte zum erweiterten Rettungsfonds. Bratislava, 11. Oktober 2011.

Zurück ins schwarze Loch Europas?

Das slowakische Parlament hat den erweiterten Rettungsfonds für die Eurozone abgelehnt. Die Presse in Bratislava sieht diese Abstimmung auch als Bedrohung des relativ neuen Status, den das Land seit ein paar Jahren genießt.

Veröffentlicht am 12 Oktober 2011 um 13:36
Oppositionschef Robert Fico während der Parlamentsdebatte zum erweiterten Rettungsfonds. Bratislava, 11. Oktober 2011.

Falls die Slowakei den Euro-Rettungsfonds endgültig zurückweist, wird sie nicht wieder zum “schwarzen Loch Europas” werden. Das wird auch nicht passieren, falls Robert Fico nach dem Sturz der Regierung von Iveta Radičová wieder an die Macht kommt, ganz gleich was der flügge gewordene Nachfolger des ehemaligen Ministerpräsidenten Vladimír Mečiar bewerkstelligt – und das kann alles mögliche sein.

Anders als während der autoritären Zeiten unter Mečiar [der Chef der Volkspartei regierte mit zwei kurzen Unterbrechungen von 1991 bis 1998], als sich die Slowakei von den Tschechien trennte, sind wir heute Mitglied der NATO und der Europäischen Union. Solange wir das bleiben – und dafür gibt es keine ewig dauernden Garantien –, werden die westlichen Demokratien die Entwicklung der slowakischen Innenpolitik oder die auslandspolitische Ausrichtung nicht angehen können, indem sie sie einfach ignorieren und das, was hier wirklich passiert, aus der Ferne und mit minimalem Interesse verfolgen.

Das will allerdings nicht heißen, dass wir nicht sehr leicht in einer Art isolierten Grauzone verschwinden könnten – ein Land, dessen Politiker zwar an den Konferenzen der EU und der NATO teilnehmen, jedoch nur dazu da sind, die Teilnehmerquoten zu erfüllen, ohne dass sich tatsächlich jemand für sie interessiert.

Die Zusammenarbeit würde dann auf das notwendige Minimum zusammengestrichen. Die Slowaken würden nicht zu bilateralen Verhandlungen in demokratischen Ländern eingeladen, nicht einmal zu Verhandlungen mit ihren Nachbarn. Sie würden dann nicht über maßgebliche Investitionen mit Investoren aus demokratischen Ländern diskutieren, die nicht nur Kapital, sondern auch fortgeschrittene Technologien und seriösere Geschäftsverhalten einbringen.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Sollte die Slowakei dennoch dazu kommen, dann wird das nur indirekt darauf zurückzuführen sein, dass das Parlament jetzt einen erhöhten Beitrag zum Euro-Rettungsfonds abgelehnt hat. Es wird dazu kommen, falls durch Radičovás Sturz und die Rückkehr zu einer erneuten Fico-Regierung das kurze Kapitel beendet wird, das der Slowakei seit Kurzem eine pro-westliche Orientierung und eine demokratische Entwicklung beschert hat.

Die Aussenpolitik wird wieder nach Osten zurückschwingen, wonach Fico schon immer das Herz stand, und das wird zu Konsequenzen führen, an deren Ausarbeitung seine frühere Regierung erst angefangen hatte – Eindämmung der Demokratie, der Redefreiheit, der gesetzlichen Gewissheiten, der unterdrückten Minderheiten und der freien Marktwirtschaft. (pl-m)

Kontext

Rettungsfonds hängt an politischen Spielchen

Die Partei “SaS blockierte den Europäischen Rettungsfonds”, titelt die slowakische Tageszeitung Hospodárske noviny am Tag nach der Abstimmung. Nur 55 von 150 Abgeordneten stimmten mit Ja. Die Ministerpräsidentin Iveta Radičová, die die Abstimmung mit einem Vertrauensantrag verbunden hatte, kündigte sofort ihren Rücktritt an.

Freiheit und Solidarität (SaS), die Partei des Parlamentsvorsitzenden Robert Sulík, vertritt 12 Prozent der Wähler. Sie widersetzte sich dem Rettungsfonds mit der Begründung, sie sei “dagegen, Schulden mit neuen Schulden zu begegnen”. Das Schicksal des Euro liegt nun in den Händen von Oppositionschef Robert Fico, dessen linkspopulistische Partei Smer sich bei der Abstimmung enthalten hat. Seither erklärte Fico, er sei “bereit, anlässlich einer zweiten Abstimmung mit der Regierungskoalition über die Unterstützung des Fonds zu diskutieren”.

“In diesem Konflikt zwischen der Volkssouveränität und den physischen Gesetzen der Weltwirtschaft hat die Slowakei bewiesen, dass sie geistig noch nicht so weit ist [...]”, kommentiert die slowakische Tageszeitung SME. Es bleibt abzuwarten, ob vorgezogene Wahlen angesetzt werden, frühestens nächstes Frühjahr, oder ob nur eine Kabinettsumbildung ohne Iveta Radičová stattfindet.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema