Referendum - man bekommt nicht immer, was man will

Die EU-Führung sei von politischer und wirtschaftlicher Zusammenlegung besessen und das sei der Ursprung der aktuellen Krise, die die Eurozone erschüttert, schreibt Marek Magierowski.

Veröffentlicht am 4 November 2011 um 15:46

Die Dinge in Griechenland und andernorts in der EU sind alles andere als lustig, doch manche Politiker verlieren scheinbar nie ihren Sinn für Humor.

Ich hoffe, dass die Menschen in Griechenland wissen, dass sie mit ihrer Entscheidung in der Volksabstimmung Verantwortung nicht nur für ihr eigenes Land, sondern für ganz Europa tragen”, sagte der frühere deutsche Außenminister und aktuelle SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

Das Referendum wurde letztendlich abgesagt, was nichts an der Tatsache ändert, dass Steinmeiers Analyse außerordentlich komisch ist. Die “Zukunft Europas” ist das letzte, worum sich die Griechen heute sorgen. Können Sie sich einen arbeitslosen 25-Jährigen vorstellen, der für die radikalen Reformen stimmt, weil das für “die Zukunft Europas” besser ist? Oder einen Beamten, der einer Gehaltkürzung um ein Fünftel zustimmt, weil das “von Berlin erwartet wird”?

Es wäre genau dasselbe, wenn ein Euro-Referendum in Deutschland abgehalten würde – was manche Politiker dort übrigens schon fordern. Die Bild-Zeitung würde ihre Leser bestimmt darüber aufklären, ob sie nun für weitere Subventionen für die “griechischen Diebe aus Athen” stimmen oder die Griechen aus der Eurozone hinauswerfen sollen.

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Sich gegenseitig mit Volksbefragungen zu bedrohen, führt zu nichts. Leider sind in diesem Fall die Schuldigen gerade die führenden EU-Politiker, die die europäische Öffentlichkeit mit der Vorstellung eines zunehmend demokratischen Europas umgarnt haben – eines Europas, in dem die Bürger immer mehr Mitspracherecht hätten.

Statt dessen bauten sie eine Konstruktion auf, die wenig mit Demokratie zu tun hat. Einerseits drückten sie mit Gewalt mehrere Gesetze durch, ohne die vox populi zu berücksichtigen, und andererseits steckten sie, besessen vom Traumbild eines politischen und ökonomischen Bündnisses, die Zukunft des ganzen Kontinents ab, und zwar mit Entscheidungen von nicht sehr weisen Staatschefs nicht sehr großer Länder. (pl-m)

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