Open Data, ein Goldesel

Brüssel ermutigt Verwaltungen und Behörden dazu, offene Daten online zu stellen. Die Bürger hätten vielleicht eine Vielzahl nützlicher Applikationen zur Verfügungen. Und 40 Milliarden Euro Gewinn jährlich sollen sie auch noch bringen.

Veröffentlicht am 16 Dezember 2011 um 16:37

Vergangenen Montag hat EU-Kommissarin Neelie Kroes eine jener Initiativen ins Leben gerufen, die Europa momentan sehr notwendig braucht: billig, aber potenziell sehr ertragreich. “Nutzung öffentlicher Daten als Goldmine”, so der Titel der Mitteilung, in der konkret die Revision der EU-Richtlinie über Daten des öffentlichen Sektors aus dem Jahr 2003 vorgesehen ist.

Betroffen sind von der öffentlichen Verwaltung produzierte, gesammelte oder erworbene Daten; Daten, die, wenn sie Firmen oder der Zivilgesellschaft zur Verfügung gestellt werden, Initiativen im unternehmerischen, kulturellen oder zivilen Bereich ermöglichen, so etwa kartographische, meteorologische, statistische, umweltrelevante, touristische, seefahrerische, wissenschaftliche, kulturelle oder verkehrsrelevante Daten.

In Boston, wo ich mich gerade aufhalte, stellen die lokalen Verkehrsbetriebe (MBTA) Daten über die Echtzeitpositionen von Bussen, Zügen und U-Bahnen allen zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung, mit dem Ergebnis, dass bereits ganze 35 Smartphone-Apps entwickelt wurden – einige sind gratis, einige käuflich zu erwerben –, durch die eine intelligente und effiziente Nutzung der lokalen Verkehrsmittel möglich ist.

Anfang eines neuen Ära

Wir stehen erst am Anfang dieser “Open Data”-Bewegung: Parallel zur laufenden Veröffentlichung immer neuer Daten wird man diese koordinieren können, was in weiterer Folge die Entwicklung noch effizienter Apps ermöglicht, die Bürgern wie Firmen den Alltag erleichtern.

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Haben Sie zum Beispiel Lust auf Kulturgenuss in der Stadt? Durch eine App werden Sie in Echtzeit Daten aus verschiedenen Quellen zu Kino, Theater, öffentlichen Verkehrsmitteln, Verkehrslage, Parkplätzen und Restaurants erhalten können und innerhalb weniger Sekunden intelligente Lösungen zur Abendgestaltung parat haben. Man stelle sich vor, wie nützlich Touristen (und nicht nur die) eine solche Anwendung fänden.

Ein weiteres Beispiel: Durch die Freigabe detaillierter Daten über öffentliche Ausgaben könnten Organisationen und einzelne Bürger nicht nur besser verstehen, wie Steuergelder ausgegeben werden – und etwaige Verschwendungen feststellen –, sondern auch ein ausgeprägteres ziviles Bewusstsein entwickeln.

Staatsausgaben öffentlich machen

Wir stehen erst am Anfang, doch die montägliche Mitteilung der europäischen Kommission – eine Mitteilung, die eine der Säulen der Digitalen Agenda für Europa ist– wird bestimmt die Aufmerksamkeit in sämtlichen Mitgliedsstaaten erhöhen, auch in Italien. Nicht zuletzt, weil der erwartete wirtschaftliche Gewinn von der Kommission für die EU-27 auf 40 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt wird.

Ein guter Anfang, doch um zumindest einen Teil jener 40 Milliarden auch tatsächlich zu erwirtschaften, bleibt noch viel zu tun: Verbesserung von Qualität und Menge der verfügbaren Daten, Begünstigung Öffentlich-Privater Partnerschaften und vor allem Überwindung der Widerstände vieler öffentlicher Bediensteter, die sich verhalten, als gehörten die Daten ihnen und nicht der Allgemeinheit.

Diese europäische Initiative – die den Mitgliedsstaaten auch konkrete Maßnahmen abverlangt – ist eine wunderbare Gelegenheit für Mario Montis Regierung, Italiens Rolle zu stärken und es auf diesem Gebiet zum Vorreiter in ganz Europa werden zu lassen. Ein Ziel, das die gesamte Politik ohne Unterschied vorbehaltlos unterstützen sollte.

Stand der Dinge

Open Data Plattformen

Mehrere Länder haben bereits ihre Open Data Plattformen, auf denen Nutzer Informationen über den Staatshaushalt, die Luftverschmutzung, Subventionen, Gesundheit, Bevölkerung oder das Steuersystem abrufen können. In Europa zählen dazu Österreich, Belgien, Spanien, Estland, Frankreich, Irland, Italien, Moldau, Norwegen, Niederlande und Großbritannien.

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