Bei einer Fotosession von Spencer Tunick in Amsterdam, Juni 2007. (AFP)

Amsterdam, eine ordentliche Stadt

Die Flut von Verboten, "Null-Toleranz" und Regeln führt dazu, dass die niederländische Hauptstadt ihren toleranten, offenen Charakter und ihre sprühende alternative Szene verliert. Mittlerweile verschaffen sich die Gegner dieser Normalisierung Gehör.

Veröffentlicht am 19 November 2009 um 15:34
Bei einer Fotosession von Spencer Tunick in Amsterdam, Juni 2007. (AFP)

Seit kurzem ist das Biertrinken im Stehen auf den Terrassen der Amsterdamer Cafés und Bars verboten. Um dagegen zu demonstrieren, haben tausende von Menschen diesen Sommer ein Bier im Stehen auf dem Noordermarkt getrunken. Mitte November wurde erneut demonstriert. Diesmal ging es auf dem Dam [dem Rathausplatz] gegen die "Verspießung" der Hauptstadt. Gleichzeitig entstand in der Stadt eine Diskussion zur Subkultur, nachdem man der Stubnitz die Lizenz entzogen hatte. Dies ist ein ehemaliges ostdeutsches Schiff, das in ein mobiles Kulturzentrum umgewandelt wurde und derzeit im Hafen von Amsterdam angedockt hat.

Die Diskussion wird von mehreren Alternativkultur-Verbänden geleitet, die sich darum sorgen, dass in der Stadt kein Platz mehr für Subkulturen ist. "Amsterdam möchte als eine kreative Metropole gesehen werden", bestätigt Hay Scheepmakers, einer der Initiatoren. "Aber nur der Mainstream findet Beachtung, während es für Randgruppen immer schwieriger wird." Er ist der Meinung, dass eine Kulturmetropole auch für diese Raum schaffen sollte und führt als Beispiel das Kunstfestival Robodock an, das Schwierigkeiten hat, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Ein weiteres Beispiel ist die NDSM, eine ehemalige Werft, die zum Zentrum der alternativen Kultur geworden ist, in der 250 Künstler aus allen möglichen künstlerischen Bereichen arbeiten und die an einen Bauträger verkauft wurde.

Die Demonstration auf dem Dam wurde von einem Teil der Amsterdamer Gast- und Schankwirte unterstützt. Entsteht hier eine neue aufmüpfige Allianz gegen die Spießigkeit? Scheepmakers äußert sich hierzu wie folgt: "Sicherlich gibt es da gemeinsame Interessen. Ob es sich jetzt um Hotel-, Restaurant-, Schanklizenzen oder die Genehmigung für ein Kulturevent handelt - man muss feststellen, dass die Stadtverwaltung immer strenger wird und Regelungen immer strikter angewandt werden. Der Bürgermeister Job Cohen bezieht sich fortwährend auf die Null-Toleranz, was sich schließlich auf die Art auswirkt, wie die Rathausbeamten alles überwachen, was in der Öffentlichkeit passiert."

Die Kulturabgeordnete Carolien Gehrels fühlt sich nicht angesprochen: "Die Reglementierung zum Getränkekonsum im Stehen auf den Terrassen gibt es schon seit langem. Die Problematik wurde durch das Rauchverbot [in öffentlichen Räumen, das 2008 eingeführt wurde] verstärkt". Für sie bleibt Amsterdam eine "lebensfrohe und tolerante Stadt". "Wir haben das Budget des Kunstenplan, des Programms zur Unterstützung von Kunst, um12 Millionen Euro erhöht. Gerade durch den Kunstenplan konnten viele Subkulturen in Amsterdam aufblühen", sagt sie, "zum Beispiel das Kulturzentrum im ehemaligen Gebäude der Tageszeitung De Volkskrant". Hay Scheepmakers ist Leiter des Zentrums und der Auffassung, dass genau dieses Zentrum ein Musterbeispiel für die "Normierung" von Amsterdam ist: "Das Café im Zentrum musste aufgrund einiger kleiner Regelwidrigkeiten schließen. Früher hätte man mit den Behörden diskutieren und eine Lösung finden können. Aber heutzutage gibt uns die Stadtverwaltung einfach nur das Gefühl, dass sie diese Art von kulturellen Projekten nicht mehr unterstützt."

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