Nachrichten Kopenhagener Klimagipfel
Dahin soll's gehen. Wohnhaus des Projekts Beddington Zero Energy Development (BedZED), London (OnePlanetSutton)

EU, Vordenker vom Dienst

Noch bevor sich am 7. Dezember in Kopenhagen der Vorhang für die Klimakonferenz öffnet, stehen wir schon mitten im Krieg der Zahlen. Eine Schlacht ohne Pardon, eröffnet von einem ehrgeizgetriebenen Europa, das sich im Kampf gegen den Treibhauseffekt weltweit führend zeigen will.

Veröffentlicht am 4 Dezember 2009 um 15:12
Dahin soll's gehen. Wohnhaus des Projekts Beddington Zero Energy Development (BedZED), London (OnePlanetSutton)

Am 2. Dezember stellte die EU eine Grafik vor, die offiziell die amerikanischen Versprechungen über die Reduzierung der CO2-Emissionen zurechtrückt. An 2005 gemessen (minus 17 Prozent) entsprechen die von Barack Obama versprochenen Bemühungen einem Berg, so Brüssel, doch im Vergleich zur den europäischen Parametern, also denjenigen von 1990, sind sie nur eine Maus. Für die EU, die eine Reduzierung um mindestens 20 Prozent verlangt, ist klar, dass Washington deutlich mehr tun muss.

Und das findet man nicht nur in Brüssel: Ebenfalls am 2. Dezember kündigte Indien an, es halte es für möglich, bis 2020 seine "Carbon Intensity" – d.h. die ausgestoßenen Treibhausgase pro BIP-Einheit – im Vergleich zum Stand von 2005 um 24 Prozent zu reduzieren. Brüssel erklärte bereits, die Versprechungen der Chinesen, die sich in Sachen "Carbon Intensity" zu doppelt so hohen Ergebnissen wie Delhi verpflichteten, seien nur "Peanuts" wert. Eine andere Grafik, die in der EU-Kommission im Umlauf ist, zeigt eine noch schlimmere Diagnose: Wenn die politischen Strategien unverändert bleiben, dann sollen die CO2-Emissionen der Schwellenländer im Jahr 2020 doppelt so hoch sein wie heute, und auf jeden Fall höher als die der wirtschaftlich fortgeschritteneren Länder.

Brüssels Zielsetzungen sind klar und deutlich. In Kopenhagen muss zum einen bestätigt werden, dass die Treibhausgase bis in zehn Jahren ihren Höchststand erreicht haben müssen. Weiter bleibt nachdrücklich zu betonen, dass im Jahr 2020 im Vergleich zu den Emissionszahlen von 1990 eine fünfzigprozentige Reduzierung erfolgt sein muss. Das wird schwierig. In einem gemeinsamen Schreiben an die EU haben sich China, Indien, Brasilien und Südafrika gegen diese beiden Zielsetzungen ausgesprochen. Ebenso weigern sie sich, die Erderwärmung auf ein Maximum von 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Stand zu begrenzen. Wir sind also noch meilenweit entfernt von einem Abkommen, das den Umweltsoldaten zusagt.

Kein zweites Protokoll von Kyoto

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Die Kommission gibt zu, es sei "unwahrscheinlich, dass volles Einverständnis zu einem verbindlichen Vertrag für die Staaten erreicht wird". Es muss also bei vier Faktoren angesetzt werden: Die Erarbeitung einer gemeinsamen Sichtweise bezüglich des Grenzwerts von 2°C; die Ausrichtung auf eine ambitionierte und zugleich kompatible Verpflichtung zur Emissionsreduzierung; die Definition der finanziellen Mittel mit der Einigung über einen schnellen Start; die bekräftigte Forderung eines Gesetzestextes, der die Parteien effektiv bindet und bis Mitte 2010, für die jetzt schon geplante Konferenz in Bonn fertig gestellt wird. All dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass "die Antwort nicht eine simple Erneuerung des Kyoto-Protokolls sein kann", sei es nur, weil "Washington nicht unterzeichnen wird". Ein weiteres Signal kam aus Australien: Der Senat hat zum zweiten Mal den Gesetzesentwurf zum Emissionshandel der Labour-Regierung abgelehnt. Premierminister Kevin Rudd fährt demnach mit leeren Händen nach Kopenhagen und riskiert vorgezogene Wahlen.

Italien hat es auch nicht eilig. Der Umweltminister ließ wissen, es wäre ihm lieber, man könne zwölf Monate lang an einer Einigung arbeiten, also im Hinblick auf die Konferenz in Mexiko im Dezember 2010. Doch der WWF sähe Italien und den Rest der Welt gerne etwas motivierter. Der Planet, so warnte die Umweltschutzorganisation, habe die CO2-Emissionsgrenzen im Vergleich zu 1990, dem Referenzjahr des Kyoto-Protokolls, bereits um 40 Prozent überschritten. Es gebe keine Zeit zu verlieren: "Wir sind in der schwierigsten Phase der Verhandlungen und das einzige, was die Lage ändern kann, ist die Meinung der Öffentlichkeit."

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