Wert: unbekannt. Athenische Münze (4.-5. Jh v. Chr.). (AFP)

Nach Dubai, Athen?

Die Staatsverschuldung ist außer Kontrolle geraten, Steuerflüchtige reiten im Galopp, das Rentenloch klafft… Das Land steht kurz vor dem Bankrott. So lautet die Diagnose der europäischen Presse. Wer sorgt sich um die Konsequenzen für den Euro und einen möglichen Dominoeffekt, der die weniger sparsamen Länder mitreißen könnte?

Veröffentlicht am 9 Dezember 2009 um 15:59
Wert: unbekannt. Athenische Münze (4.-5. Jh v. Chr.). (AFP)

"Während die ausländischen Zeitungen nur so von Bildern strotzen, auf denen aufständische Studenten zu sehen sind – vielmehr ein jährlicher Zeitvertreib als eine Antwort auf eine spezifische Krisensituation –, sind der griechische FinanzministerGiorgos Papakonstantinou und seine gerade gewählten linksliberalen Kollegen der PASOK [Gesamtgriechische Sozialistische Bewegung] vielmehr damit beschäftigt, eine Reihe viel bodenständigerer und ernsthafterer Probleme zu lösen", berichtet der Daily Telegraph. Darunter: "Steuerflucht, Staatsverschuldung, Rentenloch". Sie sind der Grund dafür, dass "das Land kurz vor dem Bankrott" steht. "Als die Regierung von Giorgos Andrea Papandreou an die Macht kam, hoffte sie, dass das staatliche Defizit nicht höher sein würde als sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes", berichtet die Londoner Tageszeitung. "Auf dieser Grundlage hatte ihre Wahlkampagne aufgebaut. Die Staatsausgaben sollten wieder in Schwung gebracht werden, um dem Aufschwung neue Kraft zu geben. Als sie einmal an der Macht waren, entdeckten sie jedoch, dass ihre konservativen Vorgänger die Konten gefälscht hatten und dass das Defizit 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betrug." Aus diesem Grund "gilt Griechenland schon jetzt als das Dubai der Zukunft", meint der Daily Telegraph.

"Nach Dubai, Angst vor den PIGS", lautet die Schlagzeile der Wirtschaftszeitung Les Echos. Sie betont, dass Griechenland nicht das einzige Land ist, welches sich um seine Finanzmärkte sorgen sollte. "Die absichtlich abwertende Abkürzung PIGS, mit der angelsächsische Golden Boys die Länder Portugal, Irland, Griechenland und Spanien bezeichnen, hat seit einigen Wochen auf den Märkten und in der britischen Presse Erfolg", berichtet die französische Tageszeitung. Für sie sollte man über die "Auswirkungen" nachdenken, die "eine Zuspitzung der Schwierigkeiten der 'PIGS' auf die gesamte Euro-Zone" haben könnte, selbst wenn diese Länder nicht mit dem Gedanken spielen müssten den Euro abzuschaffen.

Die Bank "Europa" in der Klemme

"Die Krise der griechischen Verschuldung ist keine Krise für den Euro", lautet das gemäßigte Urteil des Guardian. Für ihn handelt es sich allerdings "ganz sicher um eine Krise der politischen Programme der Euro-Zone und der Europäischen Zentralbank (EZB)". Niemand könne sich wirklich sicher sein, was eine solch tiefe Krise der Staatsverschuldung für ein Land wirklich bedeutet. "Irland hat begriffen, wie gefährlich die Situation ist und radikal strengste Maßnahmen getroffen. Momentan ist der Pfandbriefmarkt dank der Perspektive von Steuererhöhungen und Kürzungen der Staatsausgaben gesichert. Im Gegensatz dazu scheint Griechenland sich nicht wirklich für den strengsten Weg entscheiden zu wollen."

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Der Spiegel weist diesbezüglich darauf hin, dass das "Misstrauen" gegenüber Griechenland überall in Europa "groß ist". "Es speist sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit. So hat Griechenland überhaupt nur aufgrund geschönter Haushaltszahlen den Sprung in die Währungsunion geschafft – wie sich 2004, ganz zufällig, herausstellte. Seit Einführung des Euro haben die Griechen nur ein einziges Mal die Maastricht-Kriterien eingehalten, nämlich im Jahr 2006."

Wie das deutsche Nachrichtenmagazin berichtet, sind die europäischen Finanzminister in Anbetracht der griechischen Krise alarmiert – und hilflos: "Brüssel steckt in einer Zwickmühle. Denn eigentlich darf die EU keinem Mitgliedsland Geld überweisen, um Haushaltslöcher zu stopfen oder Defizite zu überbrücken. Und selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, dieses Verbot zu umgehen, die Folgen wären fatal: Die in einigen Ländern wie Spanien, Italien und Irland verbreitete Unbekümmertheit in puncto Haushaltsdisziplin würde quer über den Kontinent um sich greifen. Die Botschaft wäre klar: Warum sparen – wenn andere am Ende die Rechnung zahlen? […] Außerdem droht die Gefahr eines Dominoeffekts. Wenn ein Euro-Mitglied fällt, werden Spekulanten die Standfestigkeit anderer Wackelkandidaten testen. Die Währungsunion könnte daran zerbrechen." Der Spiegel beruft sich auch auf einen Londoner Bankier, der spottend einen in der Geschäftswelt gebräuchlichen Leitspruch zitiert: "Wenn jemand 1000 Euro Schulden hat, hat er ein Problem. Wenn jemand zehn Millionen Euro Schulden hat, hat seine Bank ein Problem. Und die Bank, das ist in diesem Fall Europa".

AUS GRIECHISCHER SICHT

Nach der Ohrfeige wieder aufstehen, schnell

Griechenland tanzt "mit den internationalen Märkten einen angespannten Tango", stellt Ta Nea fest. "Von nun an vergleicht man das Land mit Argentinien [welches 2001 quasi bankrott war]. Und dies ist eine neue Ohrfeige", urteilt die Tageszeitung. "Auf der einen Seite wird der Finanzminister die Glaubwürdigkeit des Landes auf der internationalen Bühne wiederherstellen; auf der anderen Seite muss er die Griechen davon überzeugen, dass es notwendig ist, die Steuern auf ihr Hab und Gut zu erhöhen."

Die Schlagzeile von To Ethnos lautet: "Turbulenzen aufgrund der Herabstufungs-Dominos" und spielt auf die sich häufenden und aufeinanderfolgenden negativen Bewertungen an. In seinem Leitartikel betont das linksliberale Blatt, dass es von nun an darum geht, "den Wettbewerb um die Glaubwürdigkeit und vor allem den Wettlauf gegen die Zeit" zu gewinnen. "Die neue sozialistische Regierung, die seit zwei Monaten an der Macht ist, muss nun schnell handeln. Der Grund dafür: Brüssel hat sofortige Reformen gefordert. Daher müssen die Diskussionen innerhalb des Landes abgekürzt werden". Die griechische Presse weist darauf hin, dass der Finanzminister schnellstens drastische Maßnahmen ergreifen muss und dass die Öffentlichkeit darüber ganz gewiss nicht erfreut sein wird.

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