Was haben der portugiesische Fastnachtsdienstag, die griechische Sonne, das irische Gestüt National Stud und die spanische Staatslotterie gemeinsam?
Antwort: Sie alle werden von europäischen Staaten, die ihre Finanzen sanieren wollen, nachdem sie ein Jahrzehnt über ihre Verhältnisse gelebt haben, verkauft oder abgesagt. Erstaunlich viele Nationen versilbern in einem bisher noch nie dagewesenen europaweiten Ausverkauf das Staatsvermögen.
Mit Vermögenswerten von rund 50 Milliarden Euro, die zum Verkauf stehen, ist Griechenland wohl der gewichtigste Privatisierer des Kontinents, aber bei Weitem nicht der einzige.
Diese Lösung ist bereits in guten Zeiten ehrgeizig, in unseren schlechten Zeiten aber wohl kaum durchführbar. Wenn dann auch noch alle gleichzeitig ihr Hab und Gut losschlagen wollen, fallen die Preise. Griechenland konnte bislang gerade 180 Millionen Euro von den angestrebten 50 Milliarden einnehmen.
Dabei sollte es eigentlich nicht an Kauflustigen mangeln. China legt sein Geld in der ganzen Welt an, und die ölexportierenden Nahoststaaten suchen ebenfalls nach interessanten Investmentchancen.
Soll uns diese Aussicht nun freudig stimmen oder eher deprimieren? Einerseits ist alles, was einen Ausweg aus der Schuldenkrise bietet, willkommen. Andererseits ist das Staatsvermögen, wenn es einmal verkauft ist, nicht mehr vorhanden. Da unsere Volkswirtschaften allmählich vom aufstrebenden China und Indien auf die Ersatzbank verbannt werden, besteht die Gefahr, dass die Dinge nie wieder so werden, wie sie einst waren.
Nr. 1: Irland
Wälder, Versorgungsunternehmen, eine Fluggesellschaft, das National Stud
Irland verkauft Beteiligungen an vielen verschiedenen Staatsunternehmen wie dem Gasversorger Bord Hais, der Fluggesellschaft Aer Lingus, dem Forstunternehmen Coillte und dem bekannten Gestüt National Stud (im Wert von knapp 1 Milliarde Euro). Bord Gais wurde auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Das Verkehrsministerium teilte letzte Woche mit, das Interesse an der 123 Millionen-Euro-Beteiligung an Aer Lingus sei sehr stark.
Nr. 2: Portugal
Energie-Infrastruktur
Einer der ersten Teilnehmer an der Verkaufsschlacht und deshalb auch einer der erfolgreichsten. Der portugiesische Stromversorger gehört nun zu gleichen Teilen den Chinesen und der Oman Oil Company. Das Geschäft war den Portugiesen 592 Millionen Euro wert. In einem noch beeindruckenderen Deal in Höhe von 8 Milliarden Euro erwarb die chinesische Three Gorges Corporation 21 Prozent am staatlichen Energieversorger Energias de Portugal.
Nr. 3: Niederlande
Flugzeuge und Schiffe
Im Rahmen eines 1 Milliarden-Euro-Sparpakets verkaufte das niederländische Verteidigungsministerium letztes Jahr Chile eine Reihe von 18 F-16 Fighting Falcon Jagdflugzeuge im Wert von mehreren Millionen Euro. Die niederländische Marine trennte sich ebenfalls von einigen Schiffen.
Nr. 4: Großbritannien
Botschaften, Regierungsgebäude, militärische Ausrüstung
Großbritannien hofft, seine 21-prozentige Beteiligung an der Flugsicherungsgesellschaft National Air Traffic Services zu Geld zu machen. Des Weiteren sollen weltweit Hunderte von Botschaften und Wohnungen, die dem Außenministerium gehören, im Gesamtwert von rund 409 Millionen Euro losgeschlagen werden.
Das Verteidigungsministerium verkaufte den Standort Deepcut Barracks zusammen mit großen Mengen von überflüssigem Militärgerät. Zweiundsiebzig aus dem Verkehr gezogene Harrier-Jump-Jets wurden kürzlich den USA zu ca. 139 Millionen Euro verkauft. Der ausgemusterte Flugzeugträger HMS Ark Royal wurde letztes Jahr versteigert. Helikopter, Land-Rover und Luxusuhren warten noch auf einen Käufer.
Nr. 5: Spanien
Infrastruktur (auch die Madrider U-Bahn?)
Im September wurde der Plan, einige Milliarden Euro durch die Teilprivatisierung der spanischen Nationallotterie aufzubringen, aufgegeben, weil die Marktbewertung dem Finanzminister zufolge zu niedrig war. Der schuldengeplagte Staat hat jedoch weiterhin vor, Vermögenswerte in Madrid zu verkaufen. So laufen gerade Verhandlungen über einen Minderheitsanteil an den städtischen Wasserwerken, Canal Isabel II, im Wert von 3,5 Milliarden Euro. Die Madrider U-Bahn, deren Wert auf 2 Milliarden Euro geschätzt wird, könnte ebenfalls zum Kauf angeboten werden.
Nr. 6: Frankreich
Immobilien in bester Lage
Frankreich verkauft nun schon seit einigen Jahren staatliche Immobilien. 2010 wurde die Veräußerung von weiteren 1 700 Immobilien angekündigt, deren Erlös zum Abbau der milliardenschweren Staatsschulden beitragen soll. Historische Schlösser, Pariser Paläste, ja sogar der königliche Jagdpavillon La Muette [in Saint Germain-en-Laye] im Wert von 12 Millionen Euro stehen auf der Liste.
Nr. 7: Österreich
Alpen (beinahe)
Das Projekt, zwei Berggipfel zum Mindestpreis von 121 000 Euro zum Kauf anzubieten, löste im Juni 2011 eine Protestwelle aus. Die Gegner der Veräußerung des Rosskopf (2 600 m) und des benachbarten Großen Kinigat (2 700 m) konnten einen vorübergehenden Verkaufsstopp durchsetzen. Ein Minister meinte allerdings, die Berge könnten in Zukunft wieder ausgeschrieben werden.
Nr. 8: Italien
Gebäude? Strände? Gold? Teile antiker Ruinen?
2010 startete in Italien ein massiver Ausverkauf von 9 000 Gebäuden, Stränden, Kastellen und sogar Inseln, um die Staatsschulden abzubauen. Der Gesamtwert wurde auf rund 4 Milliarden Euro geschätzt. Bis jetzt ist von dem Geld allerdings noch nicht viel zu sehen, lediglich einige Dutzend Palazzi in Venedig wurden veräußert, um in Hotels umgebaut zu werden. Die Werberechte für das Kolosseum brachten dem Staat ebenfalls Geld ein. Seit einiger Zeit drängt Deutschland Italien, von den hohen Goldkursen zu profitierten und seine bedeutenden Goldreserven zu verkaufen.
Nr. 9: Lettland
Eine unerwünschte Stadt
2010 ersteigerte ein russisches Unternehmen eine ganze Stadt für 2,3 Millionen Euro. Der ehemalige Militärstützpunkt Skrunda-1 wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von den Russen aufgegeben.
Nr. 10: Griechenland
So ziemlich alles (mit Ausnahme der Akropolis)
Die griechische Regierung ist bestrebt, mit dem Verkauf oder der Verpachtung staatlicher Vermögenswerte wie des Athener Internationalen Flughafens sowie 38 weiterer Flughäfen, staatlicher Öl- und Gaskonzerne, Häfen in Thessaloniki und Piräus, der Hellenischen Postbank, der Autobahnen, der staatlichen Pferderennbahnen und 35 großer staatlicher Gebäude stolze 50 Milliarden Euro aufzubringen. Hellenikon – ein Küstenstrich, der dreimal größer ist als Monaco – sowie ein 134 Quadratkilometer großes Terrain auf Korfu und, Berichten zufolge, viele weitere malerische Liegenschaften an der Küste stehen zum Verkauf. Griechenland könnte sogar erwägen, die Sonne zu verkaufen. Athen und Berlin verhandeln gerade über den Export von Solarenergie.