Grenzposten am "Eisernenen Tor" zwischen Serbien und Rumänien (AFP)

Ein Spalt in der Tür zur EU

Nach mehreren Jahren der Blockade haben sich die 27 EU-Staaten dafür entschieden, dass Serbien sich wieder annähern darf. Und auch wenn die serbische Presse das Freihandelsabkommen begrüßt, betont sie doch, dass Belgrad noch eine Vielzahl anderer Bedingungen erfüllen muss, bevor ein Beitritt zur EU in greifbare Nähe rückt.

Veröffentlicht am 10 Dezember 2009 um 16:10
Grenzposten am "Eisernenen Tor" zwischen Serbien und Rumänien (AFP)

Am 7. Dezember hat sich die Europäische Union dazu entschieden, mit Serbien ein Freihandelsabkommen zu schließen. Dieses hatten die Niederlande seit eineinhalb Jahren abgelehnt. Dass sich die Lage nun entspannt hat, ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Anwendung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens. Dieses wurde 2008 unterzeichnet und stellt die unumgängliche Voraussetzung für einen EU-Beitritt dar. Und dennoch betont Politika, dass es noch ein langer Weg ist, bis man das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen auch wirklich in die Tat umgesetzt haben wird. Die Tageszeitung führt ebenso die wichtigste Bedingung an: "Die volle Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), sowie die Bemühungen um die Festnahme von General Mladic [dem ehemaligen Militärchef der bosnischen Serben, auf dessen Anklage Genozid steht]."

"Serbien muss ebenso die Frage des endgültigen Status' des Kosovo klären", erklärt Politika. "Was bedeutet dieser endgültige Status? Ganz gewiss einer, der für Serbien annehmbar ist. Dies wird Jahre dauern, vielleicht Jahrzehnte. Jedoch besteht für Serbien kaum eine Beitrittsmöglichkeit bevor es dieses Problem gelöst hat." Auch die Situation in Bosnien und Herzegowina wird sich entscheidend auf die Verhandlungen auswirken. "Die Politik des Regierungschefs des serbischen Teils Bosniens, Milorad Dodik, zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass dieser die Zusammenarbeit mit den zentralen Institutionen in Sarajevo ablehnt. Dies wirft wiederum die Frage auf, mit welchen Druckmitteln Belgrad auf ihn einwirkt", schätzt Politika die Lage ein. Das "Hauptproblem ist allerdings die Instabilität, die in Bosnien und Herzegowina herrscht. Und auch der internationalen Gemeinschaft mangelt es an neuen Ideen", mithilfe derer man die Probleme lösen könnte.

Mitgliedsländer uneins über den Fortgang

Auch in Brüssel spürt man diesen Ideenmangel. Wie die Zeitung ironisch schreibt haben diejenigen, die eine solch "charismatische Persönlichkeit zum neuen Präsidenten der Union" und jemanden mit einer "so reichhaltigen diplomatischen Erfahrung zum neuen Hohen Vertreter" gemacht haben, nicht im geringsten Lust dazu, dass sich in Sachen Erweiterung irgendetwas tut. Die großen EU-Länder haben die Erweiterung satt, und gegenwärtig gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass "dies nur ein vorübergehendes Phänomen ist"; und das, obwohl Serbien große Fortschritte gemacht hat, verteidigt Danas die Situation. "Das Parlament erzielt immer mehr Erfolge, die Reform der Justiz ist in vollem Gang, die Unabhängigkeit der Institutionen verbessert sich zunehmend und es zeichnet sich auch ein politischer Konsens zur Notwendigkeit des EU-Beitritts ab."

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Bleibt noch eines: Die 27 Mitgliedsstaaten haben sich noch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. "Die Niederlande, Deutschland, und wahrscheinlich auch Frankreich und Großbritannien sind der Meinung, dass Serbien sich nicht für einen EU-Beitritt bewerben sollte, bevor der Rat der Europäischen Union sich nicht zur Ratifizierung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens geäußert hat. Auf jeden Fall nicht vor Juni 2010", erklärt die Tageszeitung. Es sei denn, man nimmt in der Zwischenzeit Ratko Mladic fest. "Auf der anderen Seite sind Italien, Spanien und Griechenland davon überzeugt, dass es keinen Grund mehr für ein weiteres Abwarten gibt. Belgrad sollte auf den gleichen Zug wie Montenegro und Albanien aufspringen können, und deren Bewerbungen sind schon in Brüssel eingetroffen."

Alles auf die Wirtschaftskarte

In diesem Kontext rät Politika Serbien, dass es sich vor allem "auf die ökonomische Integration konzentrieren sollte, um seine Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen, für Investoren attraktiver zu sein und Wachstum garantieren zu können". Das Freihandelsabkommen bietet genau diese Möglichkeit. "Daraus würden die serbischen Staatsbürger zweifellos den größten Nutzen ziehen", schätzt die Tageszeitung Blic. Sie spricht sich für die progressive Lockerung des Zollsystems aus. "Die Bereiche, in denen man den Preisabfall zuerst spüren wird, sind der Lebensmittel-, der Textil-, der Holzindustrie- und der Einrichtungssektor. Das Freihandelsabkommen wird sich auch auf den Wettbewerb mit serbischen Unternehmen auswirken, und die Preise werden sinken. Zudem öffnen sich dank des Abkommens die Türen für ausländische Investoren und dies wird auch den Export begünstigen."

Nachbarschaft

Dicke Luft zwischen Belgrad und Sofia

Den serbischen Behörden gefällt die Position, die Bulgarien vor dem Internationalen Gerichtshof (CIJ) in Den Haag eingenommen hat, ganz und gar nicht. Dieser soll über die "Legalität" der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo vom 17. Februar 2008 entscheiden. "Das internationale Recht verbietet eine solche Unabhängigkeitserklärung nicht", erklärt Sofia. Diese Haltung steht in der "bulgarischen Tradition, den Serben in harten Momenten einen Dolch in den Rücken zu stoßen", bemerkt die bulgarische Tageszeitung Sega. "Sofia und Belgrad waren in den letzten beiden Jahrhunderten immer Opponenten" – diese Aussage bezieht sich auf die beiden Weltkriege und auf den bulgarisch-serbischen Balkankonflikt. Kann die Europäische Union diesen Streit lösen? Sega meint, dass Belgrad seine Ambition nicht versteckt, eine "Art regionaler Anführer" sein zu wollen. Diesem Ehrgeiz wurden aber durch den Eintritt Bulgariens in die EU Anfang 2007 Steine in den Weg gelegt.

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