Serban Orescu, Neculai Constantin Munteanu, Emil Hurezeamu, drei emblematische Journalisten bei Radio Free Europe Rumänien. Bild: RFE/Cold Waves, Film von Alexandru Solomon

Radio Free Europe, Ceausescus Plage

Im Kommunismus war Radio Free Europe die einzige Möglichkeit, sich darüber zu informieren, was in Europa und in der Welt geschah. Die Rumänen ehren am Vortag des 20. Jahrestages der Revolution, durch die Nicolae Ceausescu zu Fall kam, den Radiosender, der zum Albtraum der Regierungen geworden war.

Veröffentlicht am 17 Dezember 2009 um 16:39
Serban Orescu, Neculai Constantin Munteanu, Emil Hurezeamu, drei emblematische Journalisten bei Radio Free Europe Rumänien. Bild: RFE/Cold Waves, Film von Alexandru Solomon

Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber ich verdanke meine Berufung zum Journalismus Radio Free Europe. Denn ohne diesen Sender oder Radio France Internationale (RFI), Voice of America, BBC und die Deutsche Welle hätte ich nicht gewusst, dass es Alternativen gab. Was sich vor mehr als 20 Jahren in Rumänien abspielte, hat schon Eingang in die Lehrbücher gefunden: Journalismus, Geschichte, Massenmanipulation. Aber das Hören von Radio Free Europe ermöglichte es uns, nicht abgeschottet zu sein und gegen die Zensur zu protestieren. So sah unser tägliches Dissidententum aus: zu festen Zeiten, verkörpert von Marken der Radiogeräte wie Selena, Gloria oder VEF, die selbst schon zu Symbolen des Widerstandes geworden waren.

Man kann die Geschichte Rumäniens der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts nur verstehen, wenn man das Phänomen Radio Free Europe mit einbezieht. Erinnern Sie sich? Wenn man in einem Mietshaus wohnte, konnte man die Störgeräusche nicht überhören, die durch die Sendung "Rumäniens Tagesgeschehen" rauschten. Wenn man in einem Einfamilienhaus wohnte und seinen Hund zu dem Zeitpunkt spazieren führte, zu dem die Sendung ausgestrahlt wurde, dann war es unmöglich, die bekannten Stimmen der Sprecher zu überhören. Es war schlicht unmöglich, in den "goldenen Zeiten" Nicolae Ceausescus zu leben und nicht von Radio Free Europe gehört zu haben.

Es war einmal eine Stimme

Radio Free Europe (RFE) und Radio Liberty (RL) wurden auf die Initiative des amerikanischen Kongresses hin ins Leben gerufen, um den Sturz der Mittel- und Osteuropäischen kommunistischen Regime herbeizuführen. Die CIA und der Kongress übernahmen ihre Finanzierung bis 1971, als letzterer einziger Geldgeber wurde. RFE und RL fusionierten 1976 zu RFE/RL, Inc. Radio Free Europe hat den Hörern des Ostblocks objektive, richtige und unparteiische Informationen geliefert, die die kommunistische Zensur ihnen vorenthielt. Die Sendungen für Rumänien begannen 1951 und endeten im August 2008. Praktisch wurde ihr Ende aber schon nach dem Tod des Ehepaares Ceausescu am 25. Dezember 1989 eingeläutet. Dieser Tag stellt den Sturz des Kommunismus in Rumänien dar. Radio Free Europe führt heute seine Mission weiter, indem es von Prag aus in 28 Sprachen demokratische Werte und Institutionen unterstützt. Diesmal ist aber eine andere Zielgruppe angesprochen, nämlich ungefähr zwanzig Länder von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, von Russland bis nach Zentralasien und zum Persischen Golf.

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Aufrufe zur Einhaltung der Menschenrechte und Grundrechte erzürnten die kommunistischen Regime: Im Februar 1981 explodierte zum Beispiel eine Bombe im Münchener Hauptsitz der RFE. Das Attentat, das einen Toten und vier Verwundete forderte, wurde von dem bekannten Terroristen Ilitch Ramírez Sánchez, genannt Carlos, auf Befehl der Securitate (der berüchtigten rumänischen Geheimpolizei) begangen. RFE ließ sich deshalb aber nicht daran hindern, weiterhin Sendungen auf Rumänisch auszustrahlen und bis zum bitteren Ende des Regimes der Albtraum der Karpatenregion zu bleiben. Radio Free Europe war der einflussreichste und wirksamste Radiosender aller Zeiten. Heute werden die 3 500 Rollen mit Aufzeichnungen im Hoover-Institut der Stanford University in Kalifornien aufbewahrt.

Eine Kampagne für die Archive

Mitte Dezember wurde vom rumänischen Institut für Neuere Geschichte (IRIR) eine landesweite Kampagne gestartet mit dem Ziel, ein Forschungs- und Dokumentationszentrum über Radio Free Europe zu erschaffen. Hierzu soll das Team der ehemaligen Journalisten der rumänischen Abteilung von RFE, die Medien und berühmten Personen, für die Radio Free Europe eine besondere Bedeutung hatte, beitragen. "Europa Liberă, Aici!", ["Freies Europa, hier!", Wortspiel mit dem "Hier Free Europe", mit dem die Sendungen begannen] möchte den Rumänen die besondere Rolle in Erinnerung rufen, die dieser Sender einnahm und seinen Beitrag zur Eroberung der Freiheit und zum Wohlergehen der Rumänen würdigen. In den ersten Tagen der Dezemberrevolution 1989 war Radio Free Europe das einzige Medium, das von Anfang an in ganz Europa die Ereignisse übertrug, die den Sturz des Regimes auslösten: "Laszlo Tokes ist evangelischer Pastor in Timisoara. Seine Gemeinde hat sich vor seinem Haus versammelt, um gegen seinen von der Securitate angeordneten Wegzug zu protestieren", fing damals der Beitrag des RFE-Reporters an.

"Es ist unheimlich wichtig, die Archive vom RFE ins Land zu bringen und sie den jungen Leuten zur Verfügung zu stellen", meint Liviu Tofan, Direktor des IRIR. Für ihn lässt sich "die Ursache für einen Großteil ihrer Probleme in den letzten zwanzig Jahren finden, weil die rumänische Gesellschaft nicht wirklich über diese Zeit reden konnte. Die heutige Korruption und Günstlingswirtschaft sind damals entstanden, deshalb ist es wesentlich, die damaligen Fehler zu verstehen". Doch diese Archive wiederzufinden, ist "keine leichte Aufgabe". Dann fügt er noch hinzu: "Aber wir sind fest davon überzeugt, dass Geschichte keinen Preis hat! Wir sind außer Bulgarien das einzige Land Mittel- und Osteuropas, dass diese Archive noch nicht wiederbekommen hat."

FRANKREICH

Paris kappt RFI Frequenzen

Die Zeiten ändern sich, die Radios auch. Nach der BBCund der Deutschen Welle stellt jetzt Radio France Internationale (RFI), Frankreichs öffentliches Auslandsradio, Sendungen aufgrund der geringen Hörerzahl ein. So wird RFI ab dem 19. Dezember aufhören, in sechs von seinen 20 Sprachen zu senden: polnisch, albanisch, laotisch und deutsch; die türkischen Sendungen wurden bereits eingestellt, und den serbokroatischen werden nur noch wenige Wochen Aufschub gewährt. Andere Redaktionen wie die rumänische wurden drastisch reduziert; die Filialen in Belgrad, Sofia und Lissabon stehen zum Verkauf oder haben bereits den Besitzer gewechselt. Die Maßnahmen gehören zum "Modernisierungsplan" der französischen öffentlichen Auslandsmedien. Mehr als 200 Arbeitsplätze sollen dabei gestrichen werden. Das löste im Mai 2009 den längsten Rundfunkstreik seit 1968 aus (, welcher immer noch andauert). Für Le Monde Diplomatique zeigt die Neugliederung von RFI, dem weltweit drittgrößten internationalen Radiosender mit 45 Millionen Zuhörern in 74 Ländern, das einige Länder, besonders die europäischen, aus Pariser Sicht an geopolitischer Bedeutung verlieren. Frankreich will sich mehr auf neue, "vor allem afrikanische" Zielgruppen konzentrieren.

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