Verhaftungen von Kriegsverbrechern, Versöhnung mit den Nachbarstaaten, Entspannungspolitik gegenüber Pristina... auf internationalem Parkett punktet Serbien. Das Land, das vor rund zehn Jahren noch als Paria galt, hat heute den Status des EU-Beitrittskandidaten errungen.
“Eine lang ersehnte Anerkennung, die einer neuen Politiker-Generation zu verdanken ist, welche die Diplomatie in die Hand genommen hat, um ein für alle Mal mit dem Kapitel Milošević abzuschließen”, urteilt ein westlicher Beobachter. Drei davon — Vuk Jeremić, Božidar Đelić und Borislav Stefanović — stehen auch kurz davor, das zu erreichen, was lange Zeit als undenkbar galt: Die Türen zur Union zu öffnen, ohne dass Serbien — oder nur kaum — bei der Kosovo-Frage nachgeben muss.
Außenminister mir 31? In Serbien ist das möglich. Vuk Jeremić (geboren 1975) ist allerdings als Absolvent der amerikanischen Kaderschmiede Kennedy School of Government ein waschechtes angelsächsisches Produkt. Und mit eben jener typisch amerikanischen Effizienz hat er Serbiens Unnachgiebigkeit in der Kosovo-Frage verteidigt. Er ist Nationalist und pro-westlich und verkörpert damit wie kein anderer jene schwierige Partitur, die Serbien seit der Unabhängigkeit seiner abtrünnigen Provinz 2008 zu spielen versucht.
Dieselbe Spitzenkarriere
Und er zeigt auch deren Schwächen auf. Er gilt als zu kompromisslos, beziehungsweise arrogant, weshalb er sich 2010 “neu positionieren musste”, was sich als wesentlich aussichtreicher erwiesen hat: Er überzeugte die blockfreien Staaten davon, den Kosovo nicht anzuerkennen. Von Kalkutta über Mexiko bis nach Teheran hat er mit Erfolg die alten Netzwerke Jugoslawiens reaktiviert, sehr zum Leidwesen seiner amerikanischen Freunde.
Zehn Jahre älter als sein junger Kollege ist Božidar Đelić, Serbiens Vizepremier und Beauftragter für die Integration in die EU, doch teilen beide Männer dieselbe Spitzenkarriere. Als kleiner Junge von zehn Jahren, ohne jegliche Französischkenntnisse, ist er nach Frankreich gekommen und absolvierte gleich mehrere renommierte Eliteschulen nacheinander: Nach dem Gymnasium Louis-le-Grand, studierte er am Pariser Institut für politische Studien und der selektiven Wirtschaftshochschule HEC… Als anerkannter Ökonom verbunden mit dem Draufgängertum des Yuppies jongliert der Franko-Serbe zwischen Privatwirtschaft und Beraterposten in der Politik.
Seit 2007 arbeitet er an der Seite des Präsidenten Tadić mit nur einem Ziel vor Augen: Europa. Geschickter als Jeremic, überzeugt er die Europäer davon, das “das Verknüpfen der Kosovo-Frage mit Serbiens EU-Beitritt Wasser auf den Mühlen der Extremisten” sei. Seine persönliche Obsession ist aber eine andere: Slobodan Milošević vergessen machen. Und dabei kann der sonst als “liebenswert” beschriebene Mann auch schon aus der Haut fahren. “Ihr Problem ist, dass Sie Serbien weiterhin durch das Prisma der Vergangenheit sehen. Selbst mit mir reden Sie, als wäre ich Milošević”, fauchte er noch vor einigen Monaten mit drohendem Zeigefinger in meine Richtung.
Unerschütterliche Loyalität gegenüber Tadić
Ehrgeizig, weltoffen, selbstbewusst: Die neuen serbischen Spitzenpolitiker ähneln einander. Und sie zeichnen sich durch eine unerschütterliche Loyalität gegenüber ihrem Mentor und Politik-Guru, dem Präsidenten Boris Tadić, aus. Der serbische Staatschef verfolgt sein Ziel der Annäherung an die Union, indem er sowohl die guten wie auch die schlechten Eigenschaften seiner jungen Garde voll ausspielt.
Als im Sommer die deutsche Bundeskanzlerin den Serben klarmachte, dass der Weg in die Union “über Pristina” führe, spielte Präsident Tadić seinen dritten Joker aus: Borislav Stefanović, 37, wurde beauftragt, direkt mit den Albanern die Bedingungen für eine “technische Kooperation” auszuhandeln. Er war es, der vergangene Woche Pristina das Kooperations-Abkommen abrang, welches nach allgemeiner Auffassung Serbien den Weg in die Europäische Union ebnen soll.
Die diplomatischen Erfolge Serbiens sind aber auch auf die Schwächen der Gegner zurückzuführen, denen es an einer Elite fehlt, die diesen Namen verdient — eine “Asymmetrie”; die von Hashim Thaçi, dem kosovarischen Ministerpräsidenten höchstpersönlich verkörpert wird. Ihm wird vom Europarat vorgeworfen, während des Konflikts 1999 an Organhandel beteiligt gewesen zu sein. “Es sind zwei verschiedene Welten”, gab ein EU-Unterhändler zu. “ Es war der härteste Tag meines Lebens”, sagte Borislav Stefanović nach dem Verhandlungsmarathon mit Pristina.
Die serbischen Medien notieren, wie sehr sich die das Gesicht des Ex-Diplomaten in Washington ausgemergelt hat, seit er seinen Posten innehat. Dennoch nennen sie ihn weiter mit einer gewissen Portion Zuneigung “Borko”. Vor ein paar Jahren spielte der junge Mann noch Bass in seiner Punkband “Generation ohne Zukunft”. Doch das war bevor “Borko”, “Boza” und Vuk eine andere Bühne eroberten: das neue Serbien.