Bukarest, März 2012. Der Starmoderator und Chef der Partei des Volkes im Wahlkampf.

Vom Schrottfernsehen zur Schockpolitik

Dan Diaconescu, Besitzer des privaten Fernsehsenders OTV, der für seine reißerischen Sendungen bekannt ist, hat im vergangenen Jahr eine eigene Partei gegründet, die Partei des Volkes. Wenige Wochen vor den wichtigen Wahlen bescheinigt man ihr fulminante Umfragewerte, was die Tageszeitung România libera beunruhigt.

Veröffentlicht am 6 April 2012 um 09:45
Bukarest, März 2012. Der Starmoderator und Chef der Partei des Volkes im Wahlkampf.

Wenn es sie nicht schon gebe, dann hätte man mit ziemlicher Sicherheit irgendwo in den Tiefen der politischen Think Tanks eine solche Formation mit den Ansprüchen und dem Profil der Volkspartei von Dan Diaconescu erfunden. Und wenn es tatsächlich einen Strippenzieher im Hintergrund gibt, dann kann man sagen: er hat sein Ziel erreicht. Den Beleg dafür liefern die Umfrageergebnisse, mit denen die Partei des Besitzers von OTV bei den diesjährigen Wahlen antritt: sie liegen zwischen 12 und 14%, also höher als die der Liberaldemokratischen Partei, die die Regierung bildet.

Das bedeutet, dass Diaconescus Partei nicht aus den Regierungsverhandlungen 2012 ausgeschlossen werden wird und dass wir deshalb davon ausgehen können, dass die Leute des OTV-Besitzers in der zukünftigen Regierung Schlüsselposten bekleiden werden. Wer sind aber die Zugpferde vor Ort der Volkspartei PP? Zum Großteil handelt es sich um dubiose Geschäftsleute, unehrliche Beamte, bekannte politische Parteisoldaten oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Wie lässt sich aber der Aufstieg dieser Partei erklären? Die Antwort darauf liegt in den einstigen Worten von Dan Diaconescu. 2009 wurde er in einem Interview mit der Zeitung Gândulgebeten, den Erfolg seines Senders zu erklären. Er sagte, dieser sei im Wesentlichen darauf ausgerichtet, Menschen zu gewinnen, die gute Einschaltquoten garantieren. „Definieren Sie doch diese Menschen einmal”, bat ihn der Reporter. „Sie schreien, gestikulieren wild, schimpfen und reden wirres Zeug, so wie unsere Zuschauer eben auch”, lautete seine Antwort.

Schreien, gestikulieren und schimpfen

Die damals beschriebenen Menschen sind genau die, die heute die rumänische Öffentlichkeit erobert haben. „Die Menschen, die schreien, wild gestikulieren, schimpfen”, sind die, die bei rumänischen Wahlen in der Regel gewinnen, die sich als meinungsbildend gerieren oder als Analysten aufspielen und deren Gesichter in Rumänien etwas zu sagen haben. Im Fernsehstudio von Diaconescu haben im laufe der Jahre viele bedeutende Persönlichkeiten gesessen von Traian Basescu über den Hauptstadtbürgermeister Sorin Oprescu, dem Oppositionsführer Victor Pana bis hin zu Silviu Prigoana (dem frischgebackenen Kandidat der PDL- Partei für das Bürgermeisteramt in Bukarest) oder auch Elena Udrea, ehemalige Tourismusministerin, um nur die Politiker zu nennen.

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Im Laufe der Jahre hat sich Dan Diaconescu zu einem politischen Monstrum entwickelt – gestreichelt von der öffentlichen Zuneigung jener, die ihn umgaben, sei es als Studiogäste oder als Zuschauer. Als er im Jahr 2010 wegen Erpressung verhaftet wurde, war das nur eine Episode in der Karriere des Dan Diaconescu, die nun rückblickend den einzigen Zweck zu erfüllen scheint, ihn zum Märtyrer des Volkes zu inszenieren. Heute kann Diaconescu nicht mehr mit der Leichtigkeit betrachtet werden, die ihm noch vor einigen Jahren zuteil wurde.

OTV- ein Spiegel der Gesellschaft

Von der Parteitribüne aus verbreitet er einen kranken Nationalismus, Schimpftiraden und überhäuft seine realen oder imaginären politischen Gegner mit billigen Anschuldigungen. Und statt Empörung, trifft diese Art des Wahlkampfs im Volk den Geschmack der Mehrheit der rumänischen Bevölkerung.

Diaconescus Aufstieg errinert stark an den von Corneliu Vadim Tudor [Chef der nationalistischen Partei România Mare– Großrumänien - und heute Europaabgeordneter] im Jahre 2000, als es ihm gelang, in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen zu kommen. Und trotzdem können die beiden Fälle nicht gleichgestellt werden. Dan Diaconescu ist gleichzeitig die Kreatur eines Teils der Wählerschaft – der ungebildeten und frustierten Bevölkerung, aber eben nicht nur, sondern auch die einer politischen Klasse, die den OTV-Patron ermutigt hat, in der Hoffnung dass zumindest etwas von seinem Erfolg auf sie selbst ausstrahlen könnte.

Aufgrund dieser Voraussetzungen kann man behaupten, dass die Volkspartei eine der abscheulichsten Kreaturen der rumänischen Gesellschaft ist. Aber, und das ist keineswegs ein Zufall, der Leitspruch dieser Partei heisst „Spiegel TV” (Oglinda TV = OTV).

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