„Eine dünne Farbschicht trennt uns noch von Schengen.“ Mit diesen Worten sprach der Ministerpräsident vor einem Jahr von unserem Beitritt zur Freiverkehrs- und Freihandelszone. Als eine österreichische Journalistin Bojko Borissow an diesem Tag fragte, ob Bulgarien wirklich bereit sei, zumal das Land als korrupt und von allen EU-Ländern verbrecherischsten Land gelte, sah Borissow rot. „Unsere Grenze wird besser bewacht als die vieler anderer EU-Staaten“, antwortete er wütend.
Europa-kompatible Infrastruktur
Er erklärte, dass nur noch „ein paar Kleinigkeiten“ behoben werden müssen, bevor alle Anforderungen erfüllt sind. Beispielsweise müsste „die Farbe eines Bürogebäudes aufgefrischt“ werden, womit er das Auffanglager für illegale Einwanderer an der Grenze zur Türkei meinte. Seitdem wurde das Gebäude neu gestrichen und erfüllt seine Funktion. Die Entscheidung über den Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum aber wurde erneut verschoben.
Diesmal bis zum kommenden September. Inzwischen, darüber sind sich alle, sogar die Europäische Kommission einig, hat Bulgarien die sogenannten „technischen“ Beitrittsbedingungen erfüllt: Informationssysteme, Softwareausstattung, Ausbildung der Grenzpolizeibeamten, Überwachungsinstrumente. All das, was in den Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums fällt, ist getan. Und doch ist noch lange kein Ende in Sicht. Insbesondere wenn es um einen anderen Aspekt dieses Beitritts geht: Die Infrastruktur und Sanierung der Grenzposten. In diesem Bereich hat man mit den Arbeiten gerade erst angefangen, stellt Trud bei seinen Recherchen fest.
Die zwei Grenzposten Vrachka Tchuka und Bregovo, die im Nordwesten des Landes an der serbischen Grenze liegen, haben bereits 500.000 Lewa [ca. 250.000 Euro] Sanierungsgelder verschluckt. Als wir in Vrachka ankommen, erfahren wir von den Beamten, dass es hier kein Wasser gibt. Eine Kanalisationspanne. Das kommt in dieser Gegend bekanntermaßen öfter vor. Hinzu kommen veraltete Elektroinstallationen, jämmerliche Sanitäranlagen und baufällige Räume mit marode gewordenen Türen.
„Wir haben noch viel vor uns“, gibt Präfekt Tzvetan Videnov zu. Es muss Asphalt fließen, die ganze Beschilderung erneuert und last but not least auch das Wächterhäuschen neu gebaut werden. Dafür spricht der klaffende Krater, der das zukünftige Fundament beherbergen soll... In Bregovo sieht es ähnlich aus. Hier aber haben die Arbeiten noch nicht einmal begonnen. „Bis zum Sommer wird das alles geschehen sein!“, versichert der Präfekt.
Renovierungsarbeiten an der Schengen-Grenze
Der Grenzübergang Malko Tarnowo zur Türkei wurde am 16. Mai 1970 eröffnet. Seitdem hat man da nichts mehr gemacht. Und alles dort stammt aus dieser Zeit: Möbel, Tapeten, Anstriche... Auch in Kapitan Andreevo, dem wichtigsten Grenzübergang zur Türkei, muss viel ausgebessert werden. Momentan dient das Gebäude des ehemaligen Duty-Free-Shops als Lager.
Früher oder später werden hier die Büros des neuen Kontaktzentrums Bulgariens, der Türkei und Griechenlands einziehen, das Extremsituationen wie massive Einwandererzuströme meistern soll. Die Arbeiten, die etwa eine halbe Millionen Lewa [in etwa 257.000 Euro] kosten werden, sind für kommenden September geplant.
Auf der Donau-Brücke am anderen Ende Bulgariens, bei Dunav Most, am wichtigsten Grenzposten zu Rumänien, hofft man auch auf mehr Mittel. Dass die Arbeiten auf der rumänischen Seite schon fest eingeplant sind, beunruhigt die bulgarischen Beamten aufs äußerste. „Auf uns kommen ganz bestimmt gigantische Staus und nicht enden wollende LKW-Schlangen zu“, befürchtet der stellvertretende Präfekt von Ruse, Vesko Marinov.
Mit der Aussicht auf einen Schengen-Beitritt müssen alle Grenzposten neu überdacht werden, um den Kontrollanforderungen der Mitgliedsstaaten gerecht zu werden. Die veralteten Einrichtungen machen den Neubau immer dringender: Die Kosten für diese Arbeiten werden auf fünf Millionen Lewa geschätzt; die bei weitem größte Summe, die aufgebracht werden muss, um vom Etikett „Mitglied des Schengen-Raums“ zu profitieren. (jh)