Ein Anhänger der Piratenpartei nachdem die ersten Hochrechnungen bei den letzten Bundestagswahlen im Fernsehen gezeigt wurden. Berlin, 27. September 2009.

Werden die Piraten Europa demokratisieren?

Sie gilt plötzlich als dritte politische Kraft in Deutschland und weit mehr als ein Sammelbecken surfender Protestwähler: Die Piratenpartei könnte laut der Welt der Wegbereiter einer neuen Demokratie im postindustriellen Zeitalter sein, und zwar in ganz Europa.

Veröffentlicht am 12 April 2012 um 14:38
Ein Anhänger der Piratenpartei nachdem die ersten Hochrechnungen bei den letzten Bundestagswahlen im Fernsehen gezeigt wurden. Berlin, 27. September 2009.

Noch ist nicht entschieden, ob aus den Piraten mehr wird als eine Fußnote der europäischen Demokratie. Doch wenn die Piraten nicht von ihren Kinderkrankheiten hinweggerafft werden, haben sie gute Chancen, formal die Demokratie ins 21. Jahrhundert zu transformieren; inhaltlich das Ende der Wachstumsära zu bewältigen, demografisch einen Lastenausgleich zwischen den Generationen zu erreichen und noch dazu die erste genuin europäische Partei zu werden.

Das Konzept der Repräsentation durch Massenorganisationen ist so alt und altmodisch wie das Industriezeitalter. Mit der Entbündelung einst sauber verschnürter Pakete haben heute schon die Musik- oder die Tourismusbranche ihre Not, der Parteienbranche steht Ähnliches bevor. Online-Systeme wie das „Liquid Feedback“der Piraten können die Politikbündel aus der alten Zeit der „Minimaldemokratie“ (Paul Nolte) höchst effizient aufschnüren.

Dann wird auch in der Politik die strikte Trennung zwischen Produzenten und Konsumenten aufgehoben, wie zuvor in anderen Bereichen. In der Medienbranche besonders augenfällig und in der Strombranche gerade im Gange: Durch die intelligenten Netze löst sich dort das Quasi-Monopol der bisherigen Stromgiganten auf, jeder Haushalt kann Produzent und Konsument von Elektrizität sein. Genau wie die RWEs und E.ons müssen sich auch die SPDs und CDUs in dieser neuen Situation neu erfinden. Die Piraten werden dafür sorgen, dass dies tatsächlich geschieht. Als Anwälte des Wettbewerbs im Konzert der Ex-Monopolisten. Lesen Sie den ganzen Artikel auf der Seite von Die Welt

Kontra

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Die neue Kleinbürger-Partei

In der Frankfurter Rundschau äußert der deutsche Zukunftsforscher Matthias Horx seine Zweifel an den Piraten und dem Internet als Plattform für eine neue partizipatorische Demokratie. Das Wort „Partizipation“ ruft bei ihm Erinnerungen aus seiner Studentenzeit in den 70er Jahren wach:

Manchmal beschleicht mich das mulmige Gefühl, dass das Internet nicht das gloriose Vernetzungsmittel zum Segen des Wissens der Menschheit ist, sondern ein Verstärkermedium für Unreife und Unmündigkeit. Die Zukunft gehört womöglich nicht den Piraten, sondern den Trollen. Das sind diejenigen, die jede Debatte entern, bis nichts mehr geht. Die Shitstorm-Brigade. Die Nörgel-Armee. [...] Mit fröhlichem Grauen erinnere ich mich an meine Wohngemeinschaft in den 70er-Jahren, als auch jeder mitbestimmen, aber niemand den Abwasch machen wollte. Wandel ohne Emanzipation – eine klügeren Erkenntnisse aus meiner wilden Jugend – funktioniert nicht.

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