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In aller Offenheit: Geldkoffer gegen Datenträger. © ColorBlind

Steuergeld stinkt nicht

2,5 Millionen Euro für die Namen von 1500 deutschen Steuersündern, die ihr Geld auf Schweizer Konten verstecken. Der Deal, den die deutsche Regierung mit einem Informatiker abschließen könnte, bringt die Kommentarspalten in Wallung: Darf der Staat nach seinem Gutdünken das Recht ändern?

Veröffentlicht am 2 Februar 2010 um 17:15
In aller Offenheit: Geldkoffer gegen Datenträger. © ColorBlind

Es soll Leute geben, die zahlen ihre Steuern, weil sie das für richtig halten. Nicht, weil sie glauben, der Staat sei ausgerechnet auf die paar tausend Euro angewiesen, die sie im Jahr überweisen. Auch nicht, weil sie noch immer kein Konto in der Schweiz haben. Sondern einfach, weil sie es für richtig halten. Das sind meist dieselben Leute, die auch keine Filme illegal aus dem Netz herunterladen, weil das unmoralisch ist, ungerecht den Urhebern gegenüber. Weil sie dem kategorischen Imperativ des Philosophen Immanuel Kant glauben, der vereinfacht lautet: Überlege, was geschähe, wenn das alle täten!

Was sollen diese Leute - und es gibt sie wirklich - von einer Regierung halten, die ernsthaft überlegt, ob sie gestohlene Bankunterlagen kauft, um damit Steuersünder zu entlarven und Geld von ihnen zu erlangen? Bedenke, was geschähe: Der Staat nimmt sich das Recht, das Recht zu brechen, weil seine Politiker so eigene Vorstellungen von Gerechtigkeit haben wie SPD-Chef Sigmar Gabriel, der haarscharf am Problem vorbei das heikle Geschäft rechtfertigen will: "Wir können Gauner nicht laufen lassen, nur weil sie von Ganoven entlarvt werden." Zum Originalartikel von Thomas Darnstädt auf Spiegel Online...

AUS SCHWEIZER SICHT

Angela Merkel gibt dem Bankgeheimnis den Gnadenstoß

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Alles muss versucht werden, um an diese Daten heranzukommen. Die Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt keinen Zweifel zu. Bern kann bitten so viel es will oder mit einer lächerlichen Verweigerung der Zusammenarbeit drohen, Deutschland wird die Liste mit den Namen von rund 1500 Steuerflüchtigen kaufen. Ob diese Liste gestohlen wurde, tut dabei wenig zur Sache. Die offene Krise mit Deutschland ist ebenso schwerwiegend, wenn nicht sogar schlimmer als der Konflikt zwischen der Schweiz und den USA. Neben der Bresche in den Beziehungen zum deutschen Nachbarn wirkt die aktuelle Krise mit Frankreich dagegen wie ein Kriselchen. Deutschland ist nicht nur der wichtigste Handelspartner der Schweiz, sondern die Deutschen haben auch ihr Geld in Zürich angelegt. Auf die Steuerflucht wird bald die Flucht des deutschen Kapitals aus den Zürcher Banken folgen, und zwar mit einem starken Einfluss auf die Wirtschaft. Wie sollen die ausländische Kunden weiterhin den eidgenössischen Banken vertrauen? Die Schweiz kann Skandal schlagen. Nicht ohne Grund. Denn Deutschland steht kurz davor, sich als Hehler zu betätigen. Auf illegale, unethische Weise. Bern, Washington, Paris oder Bern sollen aufhören, sich in ihre Tugendmäntel zu hüllen! Dieses globale Schachspiel rund um das Bankgeheimnis wird heute nur noch von Machtverhältnissen beherrscht. Die deutsche Offensive hat eine bereits auf die Knie gezwungene Schweiz endgültig zu Boden geworfen. Was auch immer Regierungen und Experten dazu sagen, das Bankgeheimnis ist tot.

Pierre Ruetschi, Tribune de Genève (Auszüge)

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