28 Jahrhunderte Stadtentwicklung und der Ruf nach Veränderung. Foto: Valix/Flickr

Athen: Alles neu macht die Krise

Das Projekt zur Erneuerung der griechischen Hauptstadt leidet unter dem Anfang März von der Regierung angenommenen Sparprogramm, um der misslichen Lage der Staatsfinanzen abzuhelfen. Da das Geld fehlt, muss man andere Wege gehen und zum Beispiel die Invasion der Autos eindämmen und der chaotischen Stadtentwicklung entgegenwirken.

Veröffentlicht am 12 März 2010 um 13:37
28 Jahrhunderte Stadtentwicklung und der Ruf nach Veränderung. Foto: Valix/Flickr

Eine der ersten Initiativen des griechischen Regierungschefs Giorgos Papandreou nach seinem Wahlsieg im letzten Oktober war, den katalanischen Architekten Josep Acebillo nachAthen einzuladen. Die Geste zeigte den Willen der neuen sozialistischen Regierung, ein katastrophales Stadtentwicklungsmodell zu ändern. Nach der Hoffnung im Rahmen der Olympischen Spiele 2004 hatte es seine alten schlechten Gewohnheiten wieder aufgenommen: Spekulation, Korruption bei der Lizenzvergabe und Invasion der Autos.

Fünf Monate später, nach einem von den europäischen Staatschefs geforderten, drakonischen Sparplan, um eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands zu vermeiden, wird deutlich, das kein Cent für die Ausführung dieses Projektes übrig bleiben wird. Athen ist ein enormer Fleck weißen Betons zwischen ausgebrannten Bergen. Es ist innerhalb Europas die Stadt mit den wenigsten Grünflächen. Schon vor der Krise musste es sich so einigen Herausforderungen stellen, wie z.B. die Waldbrände, die seine Vororte verwüstet haben oder der Zerfall seiner Innenstadt. Heute zahlt Athen für Jahre unzureichender öffentlicher Investitionen und finanziellen Mangels im Immobiliensektor. "Wir müssen eingreifen, ohne dass es etwas kostet. Das ist wie Akupunktur", beklagt sich Andreas Kourkoulas, Architekt des neuen Museums Bernaki.

Die Stadt erstickt im Verkehr

Diese Situation haben mehrere Städte am Rande Europas gemein, die vor vierzig, fünfzig Jahren zu schnell urbanisiert wurden. Kein leichtes Ziel. Aber paradoxer Weise könnte es eine Gelegenheit bieten, um an den Geist anzuknüpfen, der vor den Spielen 2004 kurzweilig spürbar war, merkt Yanis Pyrgiotis vom öffentlichen Dienst für Städteplanung an. Doch die Priorität sei der "Krieg gegen die Autos", wiederholt Kourkoulas. Die schlimmste Folge der Jahre des ungezügelten Konsums und der Verschuldung von Privatpersonen ist, dass die Autos Athen überrannt haben.

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Griechenland ist innerhalb der OECD das Land, in dem in den letzten fünfzehn Jahren am meisten Autos zugelassen wurden. Zwischen 1993 und 2006 ist der OECD zufolge die Anzahl der Autos für 1000 Einwohner in Griechenland auf 118 Prozent gestiegen, gegen 40 Prozent in Spanien und 24 Prozent in Deutschland. Im Zentrum Athens sieht man praktisch keine Fahrräder. Und die Stadtviertel ersticken unter geparkten Autos.

Gesetze reichen nicht - die Kultur muss sich ändern

Das Sparprogramm hat aber auch sein Gutes, versichert Pyrgiotis: "Dadurch hat man aufgehört, Straßen und Tunnel zu bauen, die die Ausweitung der Stadt auf das Umland noch mehr vorangetrieben hätten." Die Architekten hoffen, dass sich mehr Griechen aus der Mittelschicht im Zentrum niederlassen werden, wenn der Ölfleck einmal eingeschränkt ist. Dort findet man zurzeit mehr und mehr Immigranten mit geringem Einkommen. "Um dies zu erreichen, müssen wir aber gegen den Verfall der Innenstadt vorgehen", unterstreicht er. Mit fast fünf Millionen Einwohnern — die Hälfte der griechischen Bevölkerung —, zählt Athen nur 2,5 m2 Grünfläche pro Bewohner. Dies ist ein Viertel von der in Zentral- und Nordeuropa vorgesehenen Fläche. Die Lösung des Problems in mageren Jahren sieht folgendermaßen aus: "Die Straßen in lineare Gärten verwandeln, aus ihnen Fußgängerzonen machen und Plätze schaffen, auf denen man Musik machen kann", schlägt Kourkoulas vor.

"Doch dies wird unmöglich sein, wenn wir vorher nicht die geparkten Autos aus den Straßen und von den Gehwegen entfernen", fügt er hinzu. In den die Stadt umgebenden Bergen wurde jegliche Bautätigkeit, die über die derzeitigen Stadtgrenzen hinausgeht, verboten. So will man den Bränden Einhalt gebietet, die mutmaßlich vorsätzlich gelegt wurden, um den Weg für Bauträger zu ebnen. Pyrgiotis weist darauf hin, dass "nach dem Brand von 2007 luxuriöse Hochhäuser entstanden sind". Eine Sache ist sicher: "In Griechenland genügt es nicht, ein neues Gesetz zu verabschieden, um Dinge zu verändern. Die ganze Kultur muss verändert werden", verdeutlicht Vize-Bildungsminister Yiannis Panaretos. Einziger Vorteil der leeren Kassen der Stadt ist die Tatsache, dass die Spekulanten auch kein Geld haben.

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