Arbeit für den Sohnemann. Sciacca (Sizilien), 1925: Riggio-Familie. Privatarchiv der Riggio-Familie.

Aufstieg, eine Familienangelegenheit

Eine jüngste Studie der OCDE zeigt, dass Italien, neben Großbritannien, das Land ist, in dem die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs der Kinder in Bildung und Beruf gegenüber der Elterngeneration am geringsten ist. Eine mangelnde soziale Mobilität, die das Wachstum gefährde, betont die Organisation.

Veröffentlicht am 16 März 2010 um 15:21
Arbeit für den Sohnemann. Sciacca (Sizilien), 1925: Riggio-Familie. Privatarchiv der Riggio-Familie.

In einer starren, fossilisierten Gesellschaft mit einer unflexiblen sozialen und wirtschaftlichen Elite, fällt der persönliche Verdienst kaum noch ins Gewicht; die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs sind gering. Diese — nicht neue — Situation wurde jetzt von der OECD in einer in Kürze erscheinenden Studie zum Thema "intergenerationale soziale Mobilität in den reichen Wirtschaftsmächten" ("A Family Affair") bestätigt.

Wieviel macht Papas Einkommen aus? In Italien 50 Prozent. Diese Ziffer bedeutet, so die OECD, den Einfluss des elterlichen Einkommens auf das Einkommen der Kinder. Die Hälfte des Mehreinkommens eines Besserverdieners gegenüber einem Kleinverdiener überträgt sich direkt auf die Kinder — egal wie begabt das Kind ist oder welchen Beruf es ergreift. In Großbritannien ist dieser Prozentsatz kaum geringer. Dasselbe gilt für Frankreich und die USA. In Dänemark, Australien oder Norwegen liegt dieser quasi erbliche Satz nicht einmal bei 20 Prozent.

Die beste Versicherung ist ein diplomierter Papa

Folge: Einkommensunterschiede je nach Herkunft. Einen Papa mit Hochschulabschluss zu haben, wird beispielsweise zu einer Art Versicherung. In Italien (ein Riesenunterschied zu Frankreich oder Großbritannien) hat ein Ingenieurssohn im Vergleich zum Arbeiterkind 60 Prozent mehr Chancen, selber einen Hochschulabschluss zu machen. Im Vergleich zum Sohn eines Buchhalters sind es immer noch 30 Prozent. Der soziale Background favorisiert das Erreichen eines Diploms. Kurzum, in Italien verdient der Sohn eines Akademikers (egal ob mit oder ohne Hochschulabschluss) im Schnitt 50 Prozent mehr als der Sohn, dessen Vater keinen Abschluss besitzt. In Portugal oder Großbritannien ist die Lage für Kinder, deren Vater keinen Abschluss besitzt noch extremer. In Frankreich hingegen liegt der Prozentsatz dieser schulischen "Mitgift" bei 20 Prozent; in Österreich oder Dänemark bei nicht einmal 10 Prozent.

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Für die OECD stellt eine Gesellschaft, in der jeder — im positiven oder negativen Sinne — ein Papasöhnchen ist, zuerst einmal ein ökonomisches Problem dar: Ressourcen werden verplempert. "In erster Linie", so die Studie, "zeigen wenig mobile Gesellschaften die Tendenz, Talente und Kompetenzen zu vergeuden oder nicht passend zu nutzen. Zweitens beeinflusst fehlende Chancengleichheit Motivation und Anstrengungsbereitschaft der Menschen mit negativen Folgen auf die globale Effizienz und das ökonomische Wachstumspotenzial." Die Schlussfolgerung der OECD-Studie lautet: je höher die soziale Ungleichheit, umso geringer die soziale Mobilität. Italien ist eines der Länder, in dem die soziale Ungleichheit am größten ist.

Soziale Diversität in den Schulen dient allen

In der Klassifizierung der OECD ist Italien aber (im Gegensatz zu den USA, zu Deutschland oder Großbritannien) eines der Länder, in dem der soziale Background am wenigsten schulische Leistungen beeinflusst: In Mathematik zeigt ein Ingenieurssohn keine besseren Leistungen als ein Arbeiterkind. Nur in Kanada, Korea und in einigen nordischen Ländern sind die Ergebnisse in diesem Bereich noch neutraler.

Die Erklärung findet sich zweifellos in dem noch öffentlichen, homogenen und sozial integrierten Schulsystem Italiens, von dem zudem alle profitieren: Laut OECD verbessert die soziale Diversität die schulischen Leistungen der sozial Schwachen, ohne sich negativ auf das Gesamtresultat der Schulen auszuwirken. Weiterhin stellt die OECD-Studie fest, dass der berufliche Aufstieg eher an Dienstalter und Erfahrung gebunden ist, denn an Kompetenz oder Ausbildung. Intergenerationale Mobilität ist in Italien also eher selten. Auch deshalb, weil es keine intragenerationale Mobilität gibt.

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