Die Euro-Krise stellt den Zusammenhalt der 27 auf den Prüfstand. Karikatur von Tiounine, erschienen im Kommersant, Moskau

Er hängt am seidenen Faden

In Brüssel haben sich die EU-Spitzenpolitiker versammelt, um – unter anderem – über die Modalitäten zur Rettung der griechischen Finanzen zu sprechen. Der deutsch-französische Motor steht allerdings still. Dabei hängen die Zukunft der Einheitswährung sowie die Zustimmung der anderen Länder gerade von diesen beiden Ländern ab.

Veröffentlicht am 25 März 2010 um 16:11
Die Euro-Krise stellt den Zusammenhalt der 27 auf den Prüfstand. Karikatur von Tiounine, erschienen im Kommersant, Moskau

Wer wird die Europäische Ratssitzung am 25. und 26. März dominieren: "Lady Europa oder Frau Germania", fragt die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza auf ihrer Titelseite. Ihrer Meinung nach "werden die Deutschen ab sofort für ihre eigenen Interessen kämpfen. Genau so, wie es die Franzosen, Spanier und Engländer jahrelang getan haben". Ihr Kollege Polska ist hingegen davon überzeugt, dass "Deutschland sich um jeden Preis von seinem Image als Kassenmeister der EU befreien möchte. Und ganz besonders seit eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergeben hat, dass 40 Prozent der Deutschen denken, dass es ihnen mit der Deutschen Mark besser gehen würde als mit dem Euro. Im Vorfeld der für den 9. Mai geplanten Wahlen in Nordrhein-Westfalen ist dieser Urnengang für Merkel wichtiger als die Probleme Griechenlands", erklärt die Zeitung. La Tribune verhängt auf ihrer Titelseite "Alarmstufe rot für die europäische Währung" und führt "Berlins Weigerung, Griechenland zu helfen" auf sein eigenes Defizit zurück: "80,2 Milliarden Euro: Ein absoluter Rekord in der Geschichte der Bundesrepublik".

Für Le Soir "kriselt" es vor allem "im deutsch-französischen Führungsduo". "Auch wenn wir uns noch so oft gegen dieses 'Direktorium' auflehnen, seine Beziehungskrisen sind trotzdem beängstigend. Schließlich geht in Europa gar nichts, wenn sich Paris und Berlin nicht verstehen und heimlich geeinigt haben. Zum letzten Mal haben wir sie beide zusammen in Brüssel gesehen, als sie gelobten, gemeinsam 'Hand in Hand' zu arbeiten, um Griechenland und den Euro aus dem Schlamassel zu ziehen", erinnert Le Figaro und schreibt weiter: "Sechs Wochen später müssen sich der französische Präsident Sarkozy und Angela Merkel der Herausforderung stellen und einen gemeinsamen Weg finden, um ihre Versprechen zu halten und die eher skeptischen Märkte zu überzeugen".

"Rette den Euro wer kann" schreibt derCourrier international und widmet seine Titelseite dem "Spiel um den Schwarzen Peter", welches die verschiedenen Parteien – allen voran Deutschland, Frankreich und Griechenland – gerade in Brüssel spielen. "Innerhalb der Europäischen Union herrscht immer mehr Streit", lautet das Urteil der von der französischen Wochenzeitschrift zitierten Washington Post, für die unsere "Region durch die wirtschaftlichen und diplomatischen Probleme harten Zerreißproben ausgesetzt ist".

Aus der Sicht Mitteleuropas beweisen die Diskussionen um die Krise des Euros vor allem "wie unterschiedlich man innerhalb der EU den Osten und den Süden behandelt", meint Jacques Rupnik in seiner in Le Temps und Hospodářské novinyveröffentlichten Pressetribüne. Der französisch-polnische Politologe schätzt, dass die Länder Mitteleuropas, die für ihren Beitritt zur Währungsunion kämpfen mussten, nun unter den Auswirkungen der Krise zu leiden haben, obwohl "sie dafür nicht verantwortlich sind". Die Kriterien für die zukünftigen osteuropäischen Kandidaten sind nämlich "umso strenger, da die südlichen Länder diese so wenig respektiert haben". Die Sanierung der Staatsfinanzen der südlichen Länder finde auf Kosten der Erweiterung der Eurozone nach Osten statt. Aus diesem Grund ist es sehr wahrscheinlich, dass die mitteleuropäischen Staaten sich auf die Seite Angela Merkels schlagen, schlussfolgert Rupnik.

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Was den Ausgang des Gipfels angeht, so meint Il Sole 24, dass "man sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine doppelte Lösung für Athen einigen wird: Ein Eingreifen des IWF, für dessen Finanzierung die Länder der Eurozone aufkommen werden". Für die italienische Wirtschaftszeitung wäre das ein Kompromiss, der "Griechenland einerseits davor bewahren würde, allein an die Tore des Fonds klopfen zu müssen und andererseits seine Partner davon abhält, die Bedingungen für ihr Eingreifen einseitig festzulegen". "Die Art und Weise, wie man zu dieser Lösung kam ist abscheulich", auch wenn die Lösung selbst "vernünftig" scheint: "Zwischen Berlin, Paris und den anderen wichtigsten Ländern Europas kam es zu Meinungsverschiedenheiten, Streitereien und Protesten, ohne dass auch nur im geringsten koordiniert oder strategisch entschieden wurde". "Wir sind Lichtjahre von der Epoche entfernt, in der Helmut Kohl und François Mitterrand sich auf die gemeinsame Währung einigten" oder in der "Jacques Chirac und Gerhard Schröder sich vor dem Gipfel trafen, um gemeinsam die finanziellen Perspektiven der Union für die nächsten sieben Jahren auszuloten." (jh)

Portugal

Neues Griechenland in letzter Minute vermieden

Schlechte Nachrichten für Portugal am Tag, an dem das Parlament über den Stabilitäts- und Wachstumsplan (PEC) abstimmt, einer Reihe von Regierungsmaßnahmen, um das Haushaltsdefizit von 9,3 Prozent bis 2013 auf drei Prozent zu senken. Die Ratingagentur Fitch hat die Einstufung des Landes mit seiner Vorhersage von "schwachem Wirtschaftswachstum" in diesem Jahr herabgesetzt. "Die Lektion konnte nicht offensichtlicher sein", schreibt Público in einem Artikel auf der Titelseite. Der PEC – den Fitch als "glaubwürdig" einschätzt – wird voraussichtlich im Parlament angenommen werden. Die regierende Sozialistische Partei (PS) schmiedete dazu in letzter Minute ein Abkommen mit der größten Oppositionspartei, den Sozialdemokraten.

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