Der Domino-Effekt erreicht Lissabon

Am 27. April wurde nach Griechenland nun auch die Bewertung portugiesischer Staatsanleihen von der Agentur Standard & Poors um zwei Stufen gesenkt – mit ebenfalls negativem Ausblick. Nun bereitet sich Lissabon darauf vor, zum nächsten Opfer der Spekulanten zu werden.

Veröffentlicht am 28 April 2010 um 16:16

Der Oppositionsführer des rechten Zentrums, Pedro Passos Coelho, und Regierungschef José Socrates werden sich nun zusammensetzen müssen, um zu besprechen, wie sie sich angesichts dieses „Angriffs“ der Finanzmärkte verhalten sollen. Mit der Herabstufung und im Hinblick auf die Lage des Landeshaushaltes steigt die Angst vor einer Ansteckungsgefahr der griechischen Krise in anderen Teilen der Euro-Zone. Die Tageszeitung Públicoschlägt Alarm. Für sie befindet sich Portugal in der gleichen Situation wie Griechenland, in dem Moment, als es um Hilfe bat. „Das Land steuert geradewegs auf die schwerste Krise zu, die es seit dem vor siebenundzwanzig Jahren stattfindenden Einzug des IWF in Portugal erlebt hat […]. Nun gilt es, pragmatisch zu handeln. Wir befinden uns mitten im schlimmsten Sturm und es bringt nichts, sich über die Ursachen zu streiten. Das was wir nun brauchen ist ein schwerwiegendes Maßnahmen-Paket, welches die Regierung auf den Weg bringen muss. Oder ein noch gravierenderes Paket, welches der IWF oder Deutschland uns aufzwingen wird. Diejenigen, die gemäßigte Lösungsvorschläge im Auge hatten, um die Gemüter zu beruhigen und Zeit zu gewinnen, haben sich geirrt. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands greift dem vor, was uns bevorsteht, wenn nichts unternommen wird: Der finanzielle Absturz. Und damit verbunden, werden wir unser Schicksal in die Hände von Drittländern geben müssen. So wie das in entscheidenden Momenten üblich sein sollte, erwarten wir von der Regierung, vom Staatspräsidenten und der Opposition , dass sie das gegenwärtige Drama realistisch beurteilen.“ Dass es an einer eindeutigen Mehrheit mangelt, welche die Regierung von José Socrates unterstützen könnte, ist gerade „einer der hauptsächlichen Risikofaktoren“, stellt Diário de Notícias fest. Die Tageszeitung ist davon überzeugt, dass „ein Stabilitäts- und Wachstumsprogramm, dem das Parlament und Brüssel zustimmen würden, nicht ausreicht“. Um zu verhindern, dass sich die Schwierigkeiten verschärfen, „muss Portugal so schnell wie möglich – und mit so viel parlamentarischem Konsens wie nur möglich – die notwendigen Maßnahmen ergreifen“. Darum „sei der Zeitpunkt gekommen, an dem ein jeder seinen Staatssinn unter Beweis stellen müsse“, schlussfolgert die Zeitung.

Aus griechischer Sicht

Sanierung komplizierter als geplant

Nachdem die Ratingagentur Standard & Poors Griechenland herabgestuft hat, ist der Staatsbankrott kaum noch aufzuhalten. Es ist das erste Mal, dass ein Land der Euro-Zone in die Kategorie der sogenannten „spekulativen“ Investments (Schrottanleihen oder junk bonds) abgeschoben wird. Laut der griechischen Presse steht das ganze Land unter Schock. Und so ist es nicht verwunderlich, dass nun auch „Schock-Maßnahmen“ ergriffen werden müssen, wie es der Titel der To Vima verdeutlicht. Die Zeitung berichtet über die „Notversammlung“ des Vorstandes des IWF und der Europäischen Zentralbank, bei der die „europäische Hilfe so schnell wie möglich unter Dach und Fach gebracht werden soll, um die Spannungen auf den Märkten zu entschärfen und den auf der europäischen Währung liegenden Druck zu verringern“. „Bis dahin“, fährt die Tageszeitung fort, „wird die griechische Regierung ein neues wirtschaftliches Maßnahmen-Paket schnüren müssen, welches in das neue Stabilitätsprogramm aufgenommen werden soll. Renten- und Lohnkürzungen gehören ebenso dazu wie die Abschaffung anderer Vorteile derjenigen, die im öffentlichen Dienst arbeiten“. In den Spalten der To Vima verurteiltder bekannte Komponist Mikis Theodorakis den „Verlust der nationalen Unabhängigkeit“ und die „internationale Demütigung“, die Griechenland erleiden muss.

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