Karikatur von Stephff aus Il Sole-24 Ore

Wir sind alle Lügner

Griechenland muss glaubwürdiger werden, heißt es jetzt überall. Schluss mit dem Geseufze: Wir sollten endlich damit beginnen, mit den Lebenslügen unserer Gesellschaft aufzuräumen, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Veröffentlicht am 29 April 2010 um 15:22
Karikatur von Stephff aus Il Sole-24 Ore

Alle Kreter lügen, sagt ein Kreter. Im Original, dem Paulusbrief an Titus, klingt das philosophische Paradebeispiel für einen logisch unaufhebbaren Zirkel noch drastischer: "Einer von ihnen, ihr eigener Prophet, hat gesagt: Kreter sind immer Lügner, böse Tiere und faule Bäuche." Jetzt hat das sogenannte Paradox des Epimenides eine Wendung ins Politische bekommen. Denn alle regen sich jetzt darüber auf, dass die Griechen gelogen haben. Dass sie über ihre Verhältnisse leben. Dass sie mehr Schulden machen, als sie jemals zurückzahlen können, und den Rest Europas - oder genauer: einen Teil des Restes von Europa - als Zahlmeister voraussetzen. Das verbindet sie mit den Banken, die griechische Schuldtitel in ihre Portfolios mit aufgenommen haben, wohl vermutend, dass zwar ein Staat bankrott gehen kann, aber kein EU-Mitglied. **Lesen Sie den kompletten Artikel auf der Website der Frankfurter Allgemeinen Zeitung**

Deutschland

Merkel unter richterlicher Aufsicht

Die politische Entscheidung steht: Griechenland wird von seinen EU-Partnern im Notfall gerettet werden. Aber "die wahre Hürde könnte woanders liegen", schreibt die FAZ. Denn man wisse bereits heute, dass vier Euro-Gegner das deutsche Verfassungsgericht anrufen werden. Und schließlich ist Karlsruhe spätestens seit seinem 2009 in Europa berühmt. "In Berlin hat man früh [mit der Attacke] gerechnet", erinnert die Tageszeitung. Jedoch "in der aufgeregten öffentlichen Debatte ist untergegangen, dass verfassungsrechtliche Fragen von Anfang an eine herausragende Rolle in der deutschen Haltung zu Griechenland gespielt haben." Wie keine andere ihrer Vorgängerinnen habe die Merkel-Regierung versucht, ihre Politik so auszugestalten, dass sie vor den Karlsruher Richtern Bestand habe. Ihre Strategie, um den griechischen Bail-out zu verteidigen, der gegen den Artikel 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU verstoße: Argumentieren, dass es keine andere Möglichkeit gegeben habe, Schaden vom deutschen Volk abzuwehren (Artikel 56 des Grundgesetzes), hier die Instabilität der Gemeinschaftswährung und die Insolvenz der deutschen Banken und Versicherungen. "Aus diesem Grund redet die Bundesregierung auch ständig von Griechenlandhilfen als einer 'Ultima Ratio'", bemerkt die FAZ. Daher auch die Einbindung des IWF, der die Ausschöpfung aller Mittel verbildlichen soll. "Jetzt zeigt sich, dass die Bundesregierung bei bestimmten Themen in Brüssel nur noch wie unter richterlicher Aufsicht auftreten kann."

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