Dieser Euro hat keinen Sinn mehr

Draghi, Merkel, Hollande oder Juncker mögen sich in demonstrativer Eintracht zum Euro bekennen. Es hat keinen Sinn mehr, schreibt die Welt am Sonntag. Europas Unterschiede sind zu groß für eine gemeinsame Währung.

Veröffentlicht am 30 Juli 2012 um 14:41

Spätestens in der vergangenen Woche ist klar geworden, dass das politische Europa die Grenzen seiner Leistungskraft überschritten hat. Die gemeinsame Erklärung von Frankreichs Präsident Hollande und Bundeskanzlerin Merkel, "alles zu tun, um die Euro-Zone zu schützen" war nicht mehr als eine Verzweiflungstat.

Denn schon im dritten Satz der Erklärung wurde offenbar, wie weit die einzelnen Euro-Staaten, inklusive Deutschland und Frankreich, in der Wahrnehmung der Krise inzwischen auseinanderliegen. Jeder solle "in seinem Kompetenzbereich seinen Verpflichtungen nachkommen", hieß es. Man könnte das auch als Kapitulation deuten: Soll halt jeder sehen, wie er selbst klarkommt.

Es sind die letzten Zuckungen der gemeinsamen Euro-Diplomatie. Übereinstimmungen gibt es nur noch an der Oberfläche. Darunter wirken gewaltige Fliehkräfte, und die nehmen zu. An einem Tag stellt EZB-Chef Draghi weitere Hilfen für Pleitestaaten in Aussicht, anderntags kassiert Finanzminister Schäuble die Zusage wieder ein.

Aus Warschau

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„Das schlimmste Szenario wird Wirklichkeit“

„Steht das Ende des Euroraums vor der Tür?“, fragt die Rzeczpospolitaangesichts der Weigerung des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble, Madrid mit weiteren 300 Milliarden Euro unter die Arme zu greifen. Die konservative Warschauer Tageszeitung bemerkt, dass „der Euroraum kein Geld beiseitegelegt hat, um Spanien zu retten“. Die Kosten eines Bailout-Programms würden wohl weit mehr als 300 Milliarden Euro betragen. So schätzen die Experten des Londoner Thinktanks Open Europe sie eher auf 450 bis 650 Milliarden Euro.

Der Leitartikler der Rzeczpospolita ist der Ansicht, die EU könne es sich nicht leisten, Spanien zu retten. Im Vergleich zu Griechenland, Portugal und Irland sei Spanien einfach zu groß. Es wäre deshalb zu hoffen, dass...

die von der spanischen Regierung geforderten 300 Milliarden Euro nur der Ausgangspunkt für die Verhandlungen ist und die Spanier sich mit 100 Milliarden Euro zufriedengeben werden [die bereits zur Rettung der verschuldeten Banken zugesagt wurden]. Sollte es sich jedoch zeigen, dass die Lage wirklich sehr ernst ist, könnte das Fortbestehen des Euroraums auf dem Spiel stehen.

Die aktuelle Krise zeigt, wie „utopisch die Idee eines Staatenbundes mit einer gemeinsamen Währung aber unterschiedlichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systemen war“. Der Verfasser des Artikels meint, dass „wir alle Zeugen des beginnenden Endes der gegenwärtigen Währungsunion sind“. Zur Rettung Spaniens würde...

die Europäische Zentralbank wohl leeres Geld drucken, das der Farce aber kein Ende setzt. [...] Früher oder später wird ein Land Bankrott machen und die Pyramide der gegenseitigen Anleihen zusammenbrechen. Wenn der Euroraum sich nicht ändert, ist er zum Tode verurteilt und es hat keinen Sinn, noch mehr Geld auszugeben, um das Urteil zu vollstrecken.

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