Nachrichten Humor in Europa (4/10)
Santiago Segura in „Torrente 2 — Misión en Marbella" (2001).

Torrente, dümmer geht’s nimmer

Torrente, der Antiheld der gleichnamigen Fernsehserie hat es geschafft die Spanier mit seinem vulgären und befreienden Humor zu entzücken. Im vierten Teil seines Panoramas des europäischen Humors untersucht Le Monde diese extreme Karikatur eines Landes in der Krise.

Veröffentlicht am 23 August 2012 um 15:50
Santiago Segura in „Torrente 2 — Misión en Marbella" (2001).

Wie konnten die Torrente-Filme zur erfolgreichsten Comedy-Saga des spanischen Kinos werden? Schwierig diesen Antihelden zu beschreiben, ohne immer wieder auf alle möglichen Beleidigungen zurückzugreifen.

Laut Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Santiago Segura ist er „ein mieser Typ. Er ist engstirnig, ein schlechter Christ, ekelhaft und grob.“ Nicht zu vergessen ein Rassist, schwulen- und frauenfeindlich, sexbesessen...

Sei’s drum, die Spanier biegen sich vor Lachen, wenn dieser korrupte Bulle sich an der betrunkenen und schlafenden Frau seines besten Freundes vergeht, wenn er einem Kind das Eis aus der Hand reißt oder von einer frisch verheirateten Braut sexuelle Gefälligkeiten erpresst.

Trashiges Gesellschaftsporträt voller Zynismus

Beim ersten Film der Reihe, der 1998 in die Kinos kam, lobten die Kritiker das zynische Porträt einer ranzigen Gesellschaft mit einem Rest von Franquismus. Man vergab dem trashigen Humor und sah darin eher die Gesellschaftssatire. 2001 wurde „Torrente 2-Mission Marbella“ mit 5,3 Millionen Besuchern der größte spanische Erfolg aller Zeiten.

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Und in seinem letzten Opus, zeichnet Segura das bissige Bild eines Spaniens in der Krise. Man sieht ihn sich in einer Warteschlange vordrängeln, zwei Euro für eine Videokabine im Sex-Shop erbetteln, sich mit Straßenkindern um den Inhalt von Mülltonnen prügeln...

Der Regisseur hat zu dieser Gelegenheit die Stars und Sternchen aus Fernsehen und Fußball geladen. „Er bietet eine verzweifelte Vision eines Spaniens, dass nur noch für Fußball, Glotze und Prostitution lebt.

Es ist quasi politisches Kino“, meint der Kritiker Jordi Costa und betont die filmischen Qualitäten des Werks: „Torrente ist eine überzeugend gelungene Karikatur. Er ist das Monster des spanischen Unterbewußtseins, unser kollektiver Mister Hyde...“

Verehrung für den proletarischen Anti-Helden

Die Spanier lachen gern über sich selbst, und Torrente, ihr Landsmann aus der Populärkultur, gibt ihnen Gelegenheit dazu. Er ist Fan von Atletico Madrid, einer Mannschaft, die in den Arbeitervierteln extrem beliebt ist. Er verehrt dazu noch El Fary, den Schlagerstar der 1970er Jahre. Auf seinem Grab beschwert er sich, dass alles den Bach runtergeht.

Beweis: „Schwuchteln dürfen heiraten!“. Und im sportlichen Erfolg sieht er auch kaum mehr als ein kleinen Sonnenstrahl, wenn überhaupt... „Wir haben den World Cup gewonnen, das will aber nix heißen: alle Spieler kommen von FC Barcelona!“

Neben der Selbstironie, findet man auch sehr viel „regionalen“ Humor, der mit den Klischees spielt, die den Andalusiern (einfältig), Katalanen (geizig) usw. angedichtet werden. Man erkennt auch das Erbe des „Destape“- Kinos der 1970er Jahre (wörtlich: „Auszieh-Kino“), jene Komödien der sexuellen Befreiung während des demokratischen Übergangs (1976-82).

Man profitierte vom Ende der Zensur des Franco-Regimes, um — endlich — entblößte Körper zu zeigen. Und Torrente liebt Wortspielereien, so wenn er sagt: „Meine Schwester spielt Geige, während mein Vater sie fiedelt.“

Nicht alle Spanier erkennen sich im skatologischen und vulgären Humor Torrentes wieder. Sie bevorzugen den feinsinnigern „Post-Humor“ mit einer surrealistischen Situationskomik, die perplex lässt, wie beispielsweise die Comedy-Show Muchachada Nui oder den Komiker Miguel Noguera. Aber Torrente bleibt die unbestrittene Nummer eins... (JS)

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