Die Bärenzeit ist nicht für ihn. Ein Osborne-Stier in Andalusien.

España - Europas Patient lebt

In den fetten Jahren des "Wirtschaftswunders" strahlte Spaniens Stern heller als ihm zustand. Heute, unter dem harten Druck der Krise ist er mehr verglüht als ihm gebührte, schreibt El País.

Veröffentlicht am 31 Mai 2010 um 16:08
Die Bärenzeit ist nicht für ihn. Ein Osborne-Stier in Andalusien.

Die Deutschen sind ja nicht gerade für ihren Sinn für Humor bekannt, und die Banken sowieso nicht, doch der großen, sehr seriösen Deutschen Bank zufolge – der führenden Bank Deutschlands – verkörperte Spanien 2007 "die glückliche Variante des Kapitalismus" und "einen der beeindruckendsten Erfolge der letzten Jahrzehnte". So lautete, in wenigen Worten, das Image der "Marke España" (sofern es dieses Konzept überhaupt gibt) ein paar Monate bevor sich der Krisentunnel auftat. Eine Rezession ist ein etwas seltsames Mittel, die Dinge wieder ins Lot zu bringen, und schafft außerdem enorme Diskrepanzen. Die Parallele mag ja ungerecht sein, doch ein ganz bestimmtes Foto resümiert das aktuelle Image der spanischen Wirtschaft auf internationaler Ebene ganz gut: Präsident Zapatero beim Forum in Davos, zwischen dem Ministerpräsident Griechenlands (dem Epizentrum der europäischen Haushaltskrise) und dem Präsident Lettlands (das europäische Land, das noch stärker von der Krise getroffen wurde).

Aus spanischer Sicht waren die letzten drei Jahre eine Art Erwachen aus einem Traum, aus einer Illusion, die eine lange Reise durch 15 Jahre Wohlstand ermöglicht hatte, finanziert durch Berge von – staatlichen, aber vor allem privaten – Schulden, ein Erwachen aus einer Immobilienblase und einem goldenen Zeitalter, das sich dem Ende nähert. Von außen gesehen war dies der Anlass zu Übertreibungen, so wie die der Deutschen Bank, doch diesmal im negativen Sinn: "Spanien ist das große kranke Land Europas" kündigt Desmond Lachman vom neokonservativen [Forschungszentrum] American Enterprise Institute an. "Obwohl es zugegebenerweise nicht so krank ist wie Griechenland", fügt er hinzu, als wolle er der Beleidigung das Gift nehmen.

Spanien als Marke leidet

Haushaltsdefizit, Verschuldung, Konsumeinsturz, Arbeitslosigkeit, Platzen der Immobilienblase, Schwierigkeiten der Banken, Vertrauenseinbruch, Konkurrenz: Die Probleme der spanischen Wirtschaft sind schwerwiegend und sehr unterschiedlich. Und doch lässt sich durch sie alleine nicht erklären, warum das Land auf den internationalen Märkten so gezielte Attacken einstecken musste. Um andere Staaten steht es ebenso schlimm, möglicherweise sogar schlimmer (wie wahrscheinlich Irland und vielleicht auch Italien), und sie waren nicht dieser ganzen Feindseligkeit ausgesetzt.

Grund dafür ist eben dieses ramponierte Markenimage, die negative Einstellung des Marktes gegenüber Spanien und das immer stärker werdende Misstrauensklima, das die spanische Version der Krise erfasst. "Wenn ein nigerianischer Taxifahrer in Washington D.C. ein Gespräch über den Euro und Griechenland anfängt und dann sofort zu Spanien übergeht und fragt, ob es denn dem Druck auch standhalten wird, dann sieht es wirklich schlecht aus", bemerkt aus der US-Hauptstadt Angel Cabrera, Leiter der Businessschule Thunderbird in Arizona. "Spanien als Marke leidet, weil seine Wirtschaft nach der Ansteckung durch die Griechenlandkrise ins Auge des Orkans gezogen wurde. Das spanische Wunder, von dem vor ein paar Jahren alle sprachen, ist verschwunden. Und dieser Aufruf zum Realismus muss akzeptiert werden, denn wir sind nicht so reich wie wir dachten und können uns als Land einiges nicht mehr leisten, das noch vorgestern an der Tagesordnung war. Bis die Regierung, die das Offensichtliche vorgestern noch partout nicht wahrhaben wollte, den Sparplan verabschiedete. So ist das Leben", erklärt Cabrera.

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Spanien steht mit dem Missmanagement nicht allein da

"Die Lektion ist trotzdem auch ungerecht: Was wir in den letzten Jahren vollbracht haben, wird von heute auf morgen nicht verschwinden. Die Errungenschaften sind da und jetzt müssen sie zur Geltung gebracht werden", empfiehlt er. David Humphrey, Wirtschaftsforscher in Florida, fegt die Klischees vom Tisch, die Spanien als das kranke Land Europas darstellen und nun schon anfangen, von einer "spanischen Grippe" zu sprechen. "Dennoch wird die Wirtschaft mit einer langen Stagnationsperiode konfrontiert sein, die durch die Haushaltskrise und womöglich auch eine Bankkrise noch erschwert wird", fasst der ehemalige Chefökonom der Federal Reserve zusammen. Zufälligerweise verbringt Humphrey manchmal seinen Urlaub in Spanien. "Es war auch nicht normal, dass jede Familie zwei Häuser, zwei Autos und zwei Kinder hatte."

Damit das Kreditsystem nicht zusammenbricht, sind die Vereinigten Staaten und Großbritannien so weit gegangen, manche ihrer Banken zu verstaatlichen, während mehrere europäische Länder ihre Banken mit Beträgen in Milliardenhöhe unterstützten. Doch in Spanien griff der Staat nur bei zwei Geldinstituten ein. In Japan liegt die Staatsverschuldung bei knapp 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in mehreren Ländern der Eurozone bei knapp 100 Prozent; in Spanien, wo die Konjunktur nicht ganz so abstürzte wie in den großen Ländern, beträgt sie jedoch keine 60 Prozent. Die Exporte haben während der Krise keine Marktanteile verloren. Eine ganze Menge Indikatoren deuten auf eine schwerwiegende Krise hin, Reformen sind nötig. "Das Krisenmanagement war schlecht. Aber das kann man von ganz Europa sagen. In den guten Jahren war das Image Spaniens besser als es hätte sein sollen, und heute hat es ins andere Extrem umgeschlagen. Was ganz normal ist, denn so läuft es immer", schließt der Ökonom José Luis Alzola. (p-lm)

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