"Untypisch. Mit Renovierungsarbeiten zu rechnen".

Land zu verkaufen, Zustand mittelmäßig

Krise, harter Sparkurs, Streiks: Auch Rumänien, so sieht es aus, steht kurz vor dem Bankrott. Doch weder Politik noch europäische Investoren scheinen gewillt, dem Land zu helfen. Am Ende könnten China und Russland von der Situation profitieren, befürchtet România liberă.

Veröffentlicht am 1 Juni 2010 um 14:05
"Untypisch. Mit Renovierungsarbeiten zu rechnen".

Der Präsident gesteht, Rumänien sei pleite und der Gouverneur der Rumänischen Nationalbank stellt fest, dass das Land vor denselben Problemen stehe wie vor zehn Jahren, als der Technokrat Mugur Icarescu der damalige Zentralbankpräsident zum Regierungschef ernannt wurde, um die Lage zu retten. Alle Übel fallen heute mit einem Mal über das Land her. Die politische Elite war Akteur und ist nun zum Opfer ihrer Machenschaften geworden. Sie stellte ihre persönlichen Interessen stets über die Interessen der Nation, selbst dann, als klar war, dass dies zwangsläufig zum Desaster führen muss.

Präsident Traian Basescu spricht heute von einer "griechischen Situation" des Landes. Dabei ließ er im vergangenen Jahr noch die Regierung von Emil Boc Demokratisch-Liberale Partei ungebremst Geld verprassen, ohne mit der Wimper zu zucken, da auch er von der fadenscheinigen Philanthropie der Regierung profitierte. Es ging ihm nicht darum, Rumänien aus der Krise zu helfen, sondern seine Wiederwahl zu sichern. Ansonsten hätte er Emil Boc & Co. verordnet, Entlassungen und Gehaltskürzungen vorzunehmen, sowie die Klientelpolitik zu unterlassen.

Der Präsident spricht von einer "griechischen Situation" Rumäniens und verliert dabei aus den Augen, wie sich die Länder in ihrer Geschichte und ihren Potentialen unterscheiden. Er hat Recht, sich um den immer riesigeren Schuldenberg des Lands zu sorgen. Doch anstatt zu jammern, hätte er vielleicht gut daran getan, gleich nach den Wahlen damit zu beginnen. Vielleicht sogar, indem er einen Technokraten zum Regierungschef ernannt hätte, der die Wirtschaftsmechanismen versteht und eine Vorstellung davon gehabt hätte, wie man das Desaster hätte vermeiden können.

Der Präsident spricht heute von einer "griechischen Situation" und verliert dabei aus den Augen, dass die Investoren aus dem Westen eher an einer Rettung Griechenlands interessiert sind, als an der Rumäniens. Was beide Länder noch verscherbeln können, interessiert nicht dieselben Käufer. In Griechenland funktionieren die Infrastrukturen, der Tourismus ist gut entwickelt und die Landwirtschaft konnte von EU-Förderungen profitieren. Die Käufer aus dem Westen werden drängeln, um Konzessionen zu übernehmen oder günstig aufzukaufen. In Rumänien hingegen sind die Straßen immer noch reparaturbedürftig, die Fabriken verkommen und die vernachlässigte Landwirtschaft ist zurückgeblieben. Die Investoren werden aus dem Osten kommen: Chinesen, oder bestenfalls Russen. Was für sie zählt ist nicht nur der Schleuderpreis, sondern die (Wieder-) Eroberung eines Einflussgebiets unter dem Deckmantel wirtschaftlicher Interessen.

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Die Deutschen werden lieber griechischen Besitz an der Mittelmeerküste aufkaufen, da es in diesem Land die größte Anzahl von Nichtdeutschen in Europa gibt, die der deutschen Sprache mächtig sind. Rumänien ist zu weit weg von Deutschland, zu sehr zurückgeblieben und dazu noch ein bisschen korrupter. Zwei Länder, so nah und doch mit so unterschiedlichen Perspektiven. Das eine wurde schon immer vom Westen begehrt und das andere — war seit eh und je den Gefahren aus dem Orient ausgesetzt. (js)

Streik

Solidarisch, wenn’s nichts kostet

Nur zehn Prozent der 700.000 Angestellten des öffentlichen Dienstes sind dem Aufruf der Gewerkschaften zum Streik am 31. Mai gefolgt. "Viele Beamte sind dem Protestaufruf nicht gefolgt, weil sie keinen Lohn einbüßen wollen, indem sie der Arbeit fernbleiben", notiert România libera. Der Unmut über die Sparmaßnahmen der Regierung habe zwar nicht nachgelassen, doch mache sich mehr und mehr Resignation breit, was konform sei mit der Tradition der kollektiven Unterwürfigkeit des rumänischen Volks, erklärt die Tageszeitung in ihrem Leitartikel. "Die Bereitschaft der Menschen ist radikal zurückgegangen, als sie erfuhren, dass die Gewerkschaften den Lohnausfall am Streiktag nicht ausgleichen würden und dass die Menschen ihn auf die eigene Kappe nehmen müssen", merkt ein Gewerkschafter aus Bukarest an. Kurz vor Ferienbeginn und knapp bei Kasse, erklären sich die Staatsbediensteten zwar solidarisch, doch in Wirklichkeit denkt jeder zuerst ans eigene Portemonnaie.

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