Während der Proben zu "Moeland" in Zundert.

Die „kleinen Hände” aus dem Osten im Rampenlicht

Mit einem Stück über osteuropäische Migranten will ein Theatermacher aus einem südniederländischen Dorf, in dem 3000 Osteuropäer leben, dafür sorgen, dass die alteingesessenen Dorfbewohner und die Zuwanderer nicht mehr aneinander vorbei leben.

Veröffentlicht am 14 September 2012 um 10:33
Während der Proben zu "Moeland" in Zundert.

„Wir wollen den Arbeitern aus Osteuropa ein Gesicht geben“, sagt der Dramatiker und Theatermacher Peter Dictus, sitzend in einem enormen Gewächshaus in Zundert [im Süden der Niederlande]. „Es sind ganz gewöhnliche Menschen, die sich hier in großer Anzahl niedergelassen haben, aber der Rest des Dorfes sieht sie nicht oder dreht sich von ihnen ab. Sie werden allein als billige Arbeitskräfte angesehen.“

Die Mitglieder der Theatergruppe von Zundert proben am Samstagmittag die Produktion „Moeland [ Wortspiel mit „Moe“, das sowohl „Mittel- und Osteuropa“ als auch „müde“ bedeuten kann ] - Reich der Armen“, die an den kommenden drei Wochenenden aufgeführt werden soll. Tänzer kriechen über den schwarzen Sandboden als Erdbeerpflücker.

Anderswo im Gewächshaus werden Monologe geprobt. „Ich handle, ich kaufe, ich verkaufe, ich vermiete“, sagt einer der Schauspieler. Er spielt einen der Vermieter, die sich bereichern, indem sie verkommene Wohnungen oder Wohnwagen zu Wucherpreisen an Osteuropäer vermieten. „Ich trage meinen Teil zur Gemeinschaft bei. Ich bin kein schlechter Kerl“.

Völlig fehlende Interaktion

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Dramatiker Dictus, wohnhaft in Zundert, hofft, dass viele Großgärtnereibesitzer sich sein „dokumentarisches Theater“ angucken werden. Und dass sie danach eine andere Sicht auf das Phänomen der Arbeitsmigration bekommen. Es geht nicht allein um Wirtschaft, sondern um Soziales, um das völlige Fehlen von Interaktion, ganz zu schweigen von Integration.

Zundert ist das am dichtesten bevölkerte Gebiet, wenn es um Arbeitsmigranten aus Mittel- und Osteuropa geht, das belegen die Ziffern des niederländischen Statistikamtes. Nach Angaben der Stadtverwaltung leben hier 2500 „Moeländer“ [Zuwanderer aus Mittel-und Osteuropa]. Das sind beinahe 12 Prozent der lokalen Bevölkerung. Andere Schätzungen sprechen sogar von 4000 Menschen. „Wie können sie nicht ignorieren, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne“, sagt Dictus. „Wir wissen, dass sie da sind, sehen sie aber nicht. Sie werden dringend für die Arbeit auf den Erdbeerfeldern oder in den Baumschulen benötigt, aber als Menschen bleiben sie unsichtbar.“

„Sie werden hier nur als Hände gesehen”

Der Journalist und Fotograf Riet Pijnappels, ebenfalls aus Zundert, fotografierte zahlreiche Zuwanderer am Arbeitsplatz und ihren Wohnungen. Die Ausstellung, die kommende Woche in der Kapelle des ehemaligen Klosters St. Anna beginnt, gibt den polnischen Spargelstechern und litauischen Erdbeerpflückern buchstäblich ein Gesicht. „Aber von den Leuten im Dorf werden sie nur als arbeitende Hände gesehen“, sagt Pijnappels.

Die meisten Osteuropäer wohnen im Feriendorf von Zundert. Auf dem Campingplatz Fort Oranje stehen Dutzende klapprige Wohnwagen, in denen Polen, Rumänen und Litauer hausen. „Und dafür zahlen sie sogar noch 500 Euro monatlich“, schimpft Pijnappels. „Pure Ausbeutung. Auch das ist eine Seite in der Geschichte der Einwanderung.“

Dictus wundert sich über das völlig getrennte Leben der beiden Bevölkerungsgruppen. Am vergangenen Wochenende fand der traditionelle Blumenkorso von Zundert statt. Im Rahmen des Theaterprojekts „Moeland“ fuhren siebzig Osteuropaer mit dem Rad zu den Zelten, in denen die Prachtwagen gebaut werden. „Die Menschen aus Zundert und die Moeländer haben sich anfangs angeschaut, wie die Karnickel den Autoscheinwerfer.“

„Unterbrochene Leben“

Er räumt ein, dass das auch an den Osteuropäern liegt, die oftmals nicht an Integration interessiert sind. „Ich kenne eine Gruppe von Rumänen, die arbeiten hier seit zwölf Jahren, zehn Monate pro Jahr. Aber sie halten sich immer noch für Saisonarbeiter. Das lässt mich an die Marokkaner denken, die hier vor fünfzig Jahren herkamen, um „vorübergehend“ in den Konservenfabriken zu arbeiten. Sie leben hier immer noch, in einem Viertel, dass wir das Problemviertel von Zundert nennen.

Das Theaterstück gibt auch Einblick in die „unterbrochenen Leben“ der Osteuropäer: „Sie sind von zu Hause fortgegangen, aber nirgends angekommen. Ein Leben auf dem Parkplatz, manchmal zehn Jahre lang. Sie träumen, arbeiten und sparen.“

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