Disneyland Paris im Regen

Eurovegas - alles andere als ein Vergnügen

2016 soll ein „europäisches Las Vegas“ in der Nähe von Madrid entstehen. Als Antwort darauf startet Katalonien das Superprojekt „Barcelona World“, obwohl die aus den USA importierten Freizeitparks in Europa selten die wirtschaftlichen Hoffnungen erfüllen, die sie erwecken.

Veröffentlicht am 21 September 2012 um 14:54
John Burke  | Disneyland Paris im Regen

Wenn man in Spanien das Thema Vergnügungsparks anschneidet, erhält man Schilderungen von Beschäftigungsmaßnahmen, Zahlungseinstellungen, städtebaulichen Geschäften, hohen Investitionen, unwahrscheinlichen Abschreibungen, plötzlichen Umschwüngen und kontinuierlichen Umbesetzungen auf Führungsebenen. Und auch von fehlgeschlagenen politischen Abenteuern der Regierungen der autonomen Regionen, mit und ohne Einbeziehung der regionalen Sparkassen. Nicht einmal der Vergnügungspark Port Aventura bei Tarragona, der 2004 von La Caixa vor der Pleite bewahrt und 2009 umstrukturiert wurde, kann auf sich stolz sein.

Trotz der vergangenen Misserfolge, sowohl in Spanien als auch in Europa, reagierte die katalonische Regierung auf die Entscheidung des US-Milliardärs Sheldon Adelson, Madrid den Zuschlag für sein Megakasino Eurovegas (ein gigantischer Glückspielpark) zu erteilen, mit der Ankündigung nicht nur eines, sondern gleich sechs neue Themenparks in Vila-Seca und Salou in der Nachbarschaft von Port Aventura bauen zu wollen. Das Vorhaben wird von der katalonischen Sparkasse La Caixa und Veremonte, dem Immobilienkonzern einer der Hauptakteure des spanischen Baubooms, Enrique Bañuelos, vorangetrieben.

Der 4.775 Millionen Euro teure Superkomplex nennt sich Barcelona World, soll 20.000 direkte und doppelt so viele indirekte Arbeitsplätze schaffen und jährlich 10 Millionen Touristen anziehen. Disneyland Paris, der europäische Maßstab, verzeichnet jährlich 15 Millionen Besucher.

Ein veraltetes Freizeitmodell

„Das Vorhaben ist leichtsinnig, unüberlegt, unrealistisch und unvernünftig“, so der Soziologe José Miguel Iribas, der auf Flächenplanung, Städtebau und Tourismus spezialisiert ist. „Nicht nur in Spanien, sondern in ganz Europa haben Vergnügungsparks immer nur jämmerliche Ergebnisse erzielt. Ja sogar Disneyland Paris ist ein Misserfolg“, meint er. „Auf dem ganzen Kontinent gibt es nur zwei kleine thematische Freizeitparks, die ein gutes Geschäft machen“, unterstreicht Luis María Huete, Professor an der IESE Business School und Autor der ersten Studie über Port Aventura. Der erste Park ist das „nicht sehr anspruchsvolle und stark auf Familien zugeschnittene“ Efteling in den Niederlanden, das Elfen und Märchenfiguren gewidmet ist und jährlich rund 1,5 Millionen Besucher anzieht. Der zweite ist das deutsche Erlebnisresort Europa-Park, das größer ist und jedes Jahr von rund 4 Millionen Abenteuerlustigen besucht wird.

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Abgesehen von diesen beiden Ausnahmen ist der Freizeitpark „ein Konzept, das in Europa nicht funktioniert“, unterstreicht Luis María Huete. Es entstand in den Sechzigern und Siebzigern des letzten Jahrhunderts, als die verfügbare Unterhaltung nichts mit dem zu tun hatte, was wir heute kennen.

Die Idee stammt aus den USA, wo es sonst keine Möglichkeit gibt, aus der gähnenden Langeweile der Wohnviertel auszubrechen, in denen nur Einkaufszentren für etwas Abwechslung sorgen, und Freizeitparks Familien ein angenehmes und sicheres Ambiente mit vielen Unterhaltungsmöglichkeiten bieten. „Man ging davon aus, dass sich Europäer genauso verhalten würden wie Amerikaner und das US-Freizeitmodell auch diesseits des Atlantiks Erfolg haben würde“, erzählt José Miguel Iribas. „Aber dem war nicht so.“

Europa braucht kein Städte-Ersatz

Dem Soziologen zufolge gibt es einen ganz einfachen Grund, warum dieses Konzept in den europäischen Ländern keinen Anklang findet. „In den USA ersetzen die Vergnügungsparks die nicht vorhandenen Städte“, argumentiert er. „Wenn Europa einen Trumpf besitzt, dann ist es sicher sein Städtenetz“. Zur Veranschaulichung fügt er hinzu: „Jeder beliebige Winkel in Paris ist interessanter als Micky Maus“.

Im Gegensatz zur Freizeitgestaltung in geschlossenen, an ein Thema gebundenen Parks – Las Vegas mit seinen Kasinos ist nur eine der vielen Varianten – oder ähnlichen Konzepten wie Kreuzfahrtschiffe und Resorts mit All-Inclusive-Angeboten, ergibt sich die Freizeitgestaltung in Städten mit ihrem vielseitigen Angebot ganz spontan. „Die große europäische Tradition sind offene Städte“, die mit ihren Läden, Cafés und Kathedralen „ihr Angebot der Nachfrage anpassen”, so der Fachmann für Urbanistik und Tourismus. „Die Intensität und die Vielseitigkeit einer Stadt kann nicht so einfach imitiert oder künstlich reproduziert werden. Jedenfalls nicht, ohne sehr hohe Kosten zu verursachen“, fügt er hinzu.

Der Misserfolg der Themenparks lässt sich allerdings nicht nur damit erklären, dass das europäische Verhaltensmuster sich nicht in die amerikanische Formatvorlage pressen lässt. „In Orlando verzeichnen der Disney-Park, Sea World und die Universal Studios jeden Tag praktisch dieselbe Besucherzahl, es gibt kaum signifikante Schwankungen“, erklärt Juan José de Torres, ehemaliger Geschäftsführer des Warner Parks (Madrid) und der Terra Mítica (Benidorm), zwei der großen spanischen Vergnügungsparks.

Restaurants, Kasinos und Nachtclubs

In Spanien sieht es jedoch ganz anders aus. „An einem Tag kommen 30.000 Besucher und am nächsten vielleicht nur 500“, bemerkt er. „Es ist nicht einfach, sich an solche Sprünge anzupassen, ohne die Leistungen so zurückzuschrauben, dass man den Eindruck hat, in einem ganz anderen Park zu sein.“ Dazu kommt noch, dass einige dieser Destinationen wie zum Beispiel Terra Mitica von Anfang an viel zu groß ausgelegt sind. „Es wäre ein schwerer Fehler, in Europa auf das klassische Konzept des Themenparks zu setzen“. Luis Huete ist ebenfalls dieser Meinung. „Ich nehme an, dass man auf Attraktionen verzichten und den Schwerpunkt stärker auf Hotels, Restaurants, Kasinos und Nachtclubs legen wird. Ich bin neugierig, was passiert, wenn das Projekt schließlich startet. Jetzt habe ich noch keine klaren Vorstellungen. Weder von Barcelona World noch von Eurovegas“. Die Zukunft wird es zeigen.

Kontext

Ein umstrittenes Vorhaben

Die Stadt Las Vegas in den USA soll bald eine Zwillingsschwester erhalten, und zwar bei Madrid. Am 8. September kündigte der US-Immobilienkonzern Las Vegas Sands an, in Alcorcón, einer Schlafstadt mit 170.000 Einwohnern in der Nähe der spanischen Hauptstadt, Eurovegas errichten zu wollen, ein Megaprojekt, in dem das europäische Paradies der Spieler untergebracht werden soll. Die Eröffnung ist 2016 geplant. Bis zum letzten Augenblick standen die Stadt und die Region Madrid mit Barcelona und der Region Katalonien im Wettbewerb. Auf dem Spiel standen Investitionen in Höhe von 17 Milliarden Euro für den Bau von Kasinos, Hotels sowie Einkaufs- und Tagungszentren. Las Vegas Sands verspricht 250.000 neue Arbeitsplätze: Manna für ein Land, in dem die Arbeitslosigkeit 24 Prozent beträgt.

Aber die Bürgerverbände, Umweltschützer und die Linksparteien kritisieren das Megabauvorhaben, waren es doch gerade Projekte dieser Art, die Spanien in die Krise stürzten. Sie befürchten zudem, das Schlaraffenland der Glückspiele könne auch bei Mafiosi und Prostituierten großen Anklang finden. Schließlich wurden dem Initiator des Vorhabens, Sheldon Adelson, Vorzugsbedingungen gewährt. Die Arbeitsverträge in Eurovegas brauchen nicht den spanischen Gesetzen zu genügen, das landesweite Rauchverbot wird in den Kasinos gelockert und die Banken müssen zu einem Drittel zum Projekt beisteuern.

Schlussendlich ist auch Sheldon Adelsons Profil problematisch. Gegen den drittreichsten Mann der USA, der zu den wichtigsten Geldgebern des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney zählt, läuft derzeit ein Untersuchungsverfahren wegen Geldwäsche und Bestechung in China.

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