Euro, auf Gedeih und Verderb

Seit Beginn der Eurokrise versichern die europäischen Spitzenpolitiker, die Zukunft der Union stehe auf dem Spiel. Doch eine Verteidigung des Euro um jeden Preis, birgt noch weitaus mehr Gefahren, meint die dänische Tageszeitung.

Veröffentlicht am 29 Juli 2010 um 14:32

"Scheitert der Euro, scheitert Europa…"

Bundeskanzlerin Angela Merkel

Nach der akuten Finanzkrise Anfang Mai, welche die europäische Währungsunion beinahe gestürzt hätte, verteidigte Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre oftmals als zögerlich gescholtene Haltung bei der Verabschiedung des EU-Rettungsschirms in Form eines 110-Milliarden-Kredits für den griechischen Staatshaushalt. Das Rettungspaket, gemeinsam mit dem 440 Milliarden Euro schweren Stabilisierungsfonds zur Rettung zahlungsunfähiger EU-Staaten sowie die Intervention der Europäischen Zentralbank hätte fast nicht ausgereicht, dem Einbruch der Finanzmärkte vom 6. und 7. Mai zu widerstehen.

In der darauf folgenden Debatte wurde die Krise den offensichtlichen Mängeln der Währungsunion zugeschrieben. Trotz Haushaltsdefiziten und Schuldenbergen, die in zahlreichen Ländern der Eurozone über die vereinbarten Grenzen hinausgehen, wurde nie ein einziger Sünder bestraft. Mangelndes Gegengewicht zur Europäischen Zentralbank — durch eine gemeinsame politische Instanz oder eine Wirtschaftsregierung — verlangte der französische Präsident Nicolas Sarkozy. Selbst Altkanzler Helmut Schmidt gab dem Franzosen Recht. "Noch nie in der Geschichte gab es eine Zentralbank, die derart frei in der Luft schwebte", sagte er in einem Interview mit dem deutschen Magazin Cicero.

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Euro steht für eine tief elitäre Haltung

Trotz aller Kritik weigert sich Deutschland weiterhin, eine politisch-wirtschaftliche Instanz auf EU-Ebene zu schaffen. Für Frau Merkel soll die Zentralbank ihre Übermacht behalten und ihren anti-inflationären Kurs weiter verfolgen. Anstatt eine Reform des Vertrags von Maastricht der den Euro eingeführt und die EZB geschaffen hat anzuregen, zeigt sich Merkel stur und setzt alles auf eine Karte. Die Kanzlerin ließ verlauten, dass "die europäische Idee" nicht ohne den Euro überleben könne.

Hier zeigt sie aber vor allem eine tief elitäre Haltung, die dem historischen Blick nicht standhält. In der Diskussion, die vor zehn Jahren der Euro-Einführung voranging, lauteten die Argumente für den Euro: Die Aufgabe der nationalen Währungen spare den Unternehmen die Wechselkosten und fördere den innereuropäischen Handel. Es stimmt, dass Unternehmen und Touristen etwas Geld sparen konnten. Doch der Gemeinschaftswährung eine Stärkung des Handelsaustauschs anzurechnen ist doch wohl eher eine Hypothese denn ein erwiesener Fakt. Als der Euro 1999 eingeführt wurde, waren die Zollschranken bereits gefallen und die EU-Erweiterung gen Osten stand schon auf der Tagesordnung.

Warum Europa für den Euro risikieren?

Das dritte Argument betrifft den Vorteil, den die europäische Wirtschaft aus dem Status des Euro als alternative Leitwährung zum Dollar ziehen würde. Je mehr in Euro gehandelt würde, umso mehr würden die EU-Staaten Wechselkosten sparen. Ganz nebenbei würden auch Euro-Kredite für die Mitgliedsstaaten der Union günstiger. Bis zur Krise in diesem Frühjahr wurden diese Vorteile aber von einem überbewerteten Wechselkurs des Euro neutralisiert, der die Exportkosten in Länder außerhalb der EU-Zone in die Höhe schießen ließ. Der heute schwache Eurokurs, der derzeit durchaus eine Hilfe darstellt, resultiert schlicht aus einem Systemfehler der Währungsunion. Und die Krise vom letzten Mai hätte sich weltweit ausbreiten können, da der Euro in der Tat den Status einer Leitwährung besitzt. Die angeführten Vorteile liegen also nicht gerade auf der Hand.

In diesem Zusammenhang muss man sich die Frage stellen, warum die europäischen Regierungen und Brüssel so vehement die Zukunft Europas an den Euro koppeln. Sicherlich: die Rückkehr zu nationalen Währungen könnte eventuell zu einer für sie unkontrollierbaren Kettenreaktion, einem Zusammenbruch führen, andererseits kann der heutige Zustand ganz offensichtlich nicht andauern. Der asymmetrische Schock, den vor allem die amerikanischen Gegner der Währungsunion voraussagten, ist als regionale Finanzkrise der Länder Südeuropas aufgetreten. Ihnen heute, während der Wirtschaftskrise, radikale Sparkurse aufzuzwingen, vermindert nur die Chancen auf Erholung. Dass die Staaten Nordeuropas Griechenland, Portugal und vielleicht auch bald Italien kolossale Summen zu Verfügung stellen, kann nur zu mehr Euroskepsis und politischem Verfall führen. Dies sollte die Politik drängen, neue, visionäre Alternativen zu prüfen. Bis jetzt gab es nur Flickschusterei. (js)

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