Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy im Moncloa-Palast, Madrid, November 2012

Rajoy, Opfer des Berlusconi-Effekts

Mario Monti ist nicht der einzige, der dem möglichen Comeback Silvio Berlusconis zu Opfer gefallen ist. Sein spanischer Kollege leidet unter dem Druck der Märkte und muss nun versuchen, wieder das Vertrauen der Anleger zu gewinnen. Die Lage ist zwar riskant, sie bietet ihm jedoch auch die Gelegenheit, mit der Unterstützung seiner Partner neue Maßnahmen durchzusetzen.

Veröffentlicht am 12 Dezember 2012 um 16:12
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy im Moncloa-Palast, Madrid, November 2012

„Das ist die schlimmste Nachricht, die Spanien derzeit erhalten könnte“, meinte gestern ein Regierungsmitglied zu den möglichen Auswirkungen der politischen Krise in Italien auf unser Land. Mariano Rajoys Kabinett ist sehr beunruhigt. Die durch den Rücktritt Mario Montis ausgelöste Ungewissheit und vor allem die Frage, wer ihm mit welchem Wirtschaftsprogramm folgen wird, untergräbt das Vertrauen der Finanzmärkte in die Länder an der europäischen Peripherie und bedroht die Pläne des spanischen Ministerpräsidenten, die Hilfe der Europäischen Union zu vermeiden.

Als die Europäische Zentralbank (EZB) im September ankündigte, Staatsanleihen aufkaufen zu wollen, gewannen die Anleger wieder Vertrauen und ermöglichten Spanien, die Hilfe der Europäischen Union nicht in Anspruch zu nehmen. Der Regierungschef vertraute darauf, dass die Existenz eines solchen Programms Spekulanten wirksam abschrecken und die Risikoprämie in Schach halten würde, bis die Reformen und Anpassungen greifen.

Berlusconi treibt Risikoprämie in die Höhe

Aber der Rücktritt des italienischen Ministerpräsidenten und die Möglichkeit, dass Silvio Berlusconi wieder an die Macht kommen könnte, haben der vorübergehenden Ruhe ein Ende gesetzt. Das politische Erdbeben in diesem Land öffnet einem Szenario die Tür, in dem die neue Regierung den Weg der Reformen und Anpassungen verlassen und das Land sich deshalb nicht mehr an den Märkten finanzieren könnte. Die Zahlen sind klar. Berlusconi ließ die Risikoprämie auf 575 Basispunkte steigen. Mit einer Europäischen Union, die unfähig ist, Entscheidungen zu treffen, und über einen sehr beschränkten Handlungsspielraum verfügt, ist nun alles möglich.

Es ist also damit zu rechnen, dass die Risikoprämien wieder über Monate steigen werden. Zu hohe Zinsen ersticken das nachhaltige Wirtschaftswachstum und sind auf mittlere Sicht nicht ertragbar. Die Spekulanten werden also wohl ihr Glück erneut versuchen und wieder auf den Zusammenbruch des Euroraums setzen. Vor diesem Hintergrund dürfte Rajoy versuchen, bei der nächsten Sitzung des Europäischen Rats, die am Donnerstag in Brüssel stattfindet, möglichst viel herauszuholen. „Obwohl sich in Spanien nichts geändert hat, sehen die Märkte das Land infolge der Ereignisse in Italien in einem neuen Licht. Das Problem ist europäisch und muss daher in Brüssel gelöst werden“, so ein Kabinettsmitglied.

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Obwohl die Aussichten der spanischen Delegation wegen der Nähe der deutschen Bundestagswahlen im November 2013 nicht sehr günstig sind, glauben einige Mitarbeiter des Ministerpräsidenten, die italienische Krise könnte dazu führen, dass die anderen Mitgliedsstaaten sich des Risikos bewusst werden und rascher Maßnahmen zugunsten einer Bankenintegration treffen. Die Erfahrung zeigt, dass die Europäische Union und vor allem die Bundeskanzlerin Angela Merkel schneller handeln, wenn sie unter Druck stehen.

Monti kann keine Stütze mehr sein

Rajoy wird von seinen Partnern ein Abkommen verlangen, das die durch die italienische Krise angefachten Zweifel beruhigt. Ferner setzt er auf eine gemeinsame Vorrichtung, die die einen vor den Krisen der anderen schützen soll. Seiner Ansicht nach würde ein wesentlicher Fortschritt in der Bankenunion, die gegenwärtig Gegenstand der Verhandlungen zwischen den Wirtschaftsministern der Union sind, den Märkten klarmachen, dass die EU-Staaten zusammenhalten und der Euro unantastbar ist.

Der Ministerpräsident setzt sich für einen raschen Abschluss ein, damit die Bankenunion vorangetrieben wird, mit einem konkreten Zeitplan an den sich auch Großbritannien und Deutschland sowie die nordeuropäischen Länder halten müssten. Sie stehen diesem Projekt nicht wohlwollend gegenüber und meinen, eine Bankenunion würde die Krise nicht lösen und brauche daher nicht rasch umgesetzt werden. Rajoy wird sich dabei nicht wie üblich auf Mario Monti stützen können, der als zurückgetretener Regierungschef kein Gewicht mehr hat.

Was wird aus Spanien ohne Hilfe von Berlin?

Sowohl die Europäische Kommission als auch die einzelnen Regierungen fürchten die Folgen der politischen Krise in Italien. Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, forderte die Italiener auf, die nächsten Wahlen nicht als Vorwand zu benutzen, an der Notwendigkeit der von Mario Monti beschlossenen Maßnahmen zu zweifeln, während der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, warnte, dass die mögliche Rückkehr Silvio Berlusconis eine Bedrohung für die Stabilität in Italien und in ganz Europa darstelle.

Besonders beunruhigend sind die Auswirkungen, die die Krise auf den Euroraum haben könnte. Hochrangige EU-Beamte unterstreichen, dass Deutschland nicht mit den unbegrenzten Anleihekäufen der EZB einverstanden ist, weil sie die Inflation anheizen könnten. Wenn Berlin die Notbremse zieht, gäbe es nicht ausreichende Mittel, um eine Volkswirtschaft wie Italien oder Spanien zu unterstützen. Gefahr für den Euro besteht dann, wenn es nötig wird, die anderen Partner zur Kasse zu bitten, und sie nicht damit einverstanden sind.

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