Bundesstaat Europa kommt nicht über den Winter

Es ist der letzte EU-Gipfel eines langen Jahres aber er wird nicht den erhofften Startschuss für eine engere Wirtschafts- und Währungsunion bringen. Deutschland und Frankreich bremsen die Gemeinschaft erneut aus und vertagen die Debatte auf 2014.

Veröffentlicht am 13 Dezember 2012 um 16:00

François Hollande und Angela Merkel haben der Europäischen Union einen denkbar schlechten Dienst erwiesen. Frankreich und Deutschland sind sich ausnahmsweise einig und haben kurzerhand die Strategie-Debatte über die Zukunft Europas begraben. Die Debatte ist aufgeschoben, oder besser gesagt beschlagnahmt, verboten.

Die Gemeinschaft der 27 hatte sich dafür ausgesprochen, bis Ende des Jahres einen politischen „Fahrplan“ auf die Beine zu stellen. Darin sollte in großen Linien die Schritte einer „solidarischen Integration“ aufgezeichnet werden, um sich hier einmal des kryptischen Ausdrucks zu bedienen, den François Hollande so gerne zitiert. Welche finanzielle Solidarität? Welchen gemeinsamen Haushalt? Welche demokratische Kontrolle?

Überleben der Eurozone

Es ging hierbei nicht darum, die ganz großen Entscheidungen zu fällen oder eine verantwortungslose Flucht nach vorn anzutreten, sondern die EU-Institutionen in Bewegung zu setzen und vor allem eine offene Debatte zu führen. Dies aus mindestens zwei Gründen.

Erstens, ist das der Preis des Überlebens der Eurozone. Die 27 EU-Staaten haben sich auf jedem der sogenannten Gipfel „der letzten Chance“ einen Schritt mehr in Richtung finanzielle Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten abgerungen. Doch dieses Rudern — und das wäre der zweite Grund — geschah einzig unter dem Druck der Finanzmärkte: ohne politische Vision, und schlimmer noch, auf Kosten der Menschen in den Ländern.

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Kopf in den Sand

Franzosen und Deutsche können sich nicht auf die Konturen eines neuen europäischen Föderalismus einigen. Deshalb stecken sie lieber den Kopf in den Sand. Angela Merkel ist im Wahlkampf und meidet jedes Risiko. Und François Hollande fürchtet nichts mehr als die Grabenkämpfe der Vergangenheit in seinem Lager wieder zu beleben. Schlusspunkt.

Doch beruht diese kleinliche Politik auf einem zweifelhaften Postulat. Man tut als sei die Krise definitiv hinter uns und als würden die Menschen sich mit einer kurzsichtigen Sparpolitik zufrieden geben.

Verhandlungen

Finstere Vorahnung

„Der EU-Gipfel wird über einen Fahrplan beraten, um die Europäische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft zu reformieren und zu vervollkommnen. Ein entscheidender Schritt, um die Eurokrise zu bewältigen“, schreibt Maria João Rodrigues in Público. Sie meint:

Nach drei Jahren mit unzureichenden Maßnahmen, welche die Krise sich ausweiten ließen, sind nun endlich ehrgeizige Vorschläge auf dem Tisch. Und Portugal muss sich hier aktiv beteiligen, [...] damit die Logik der Entscheidungsfindung über Regierungskonferenzen durchbrochen wird, da diese die großen Länder begünstigt. Allein eine gemeinschaftliche Methode, auf Initiative der EU-Kommission, gewährleistet eine Gleichberechtigung aller Mitgliedsstaaten und Bürger, um deren Mitsprache es heute sehr schlecht bestellt ist.

„Dieser letzte Gipfel [...] eines schwierigen Jahres für die Union endet in einer Atmosphäre der finsteren Vorahnung und beunruhigenden Unsicherheit bei fast allen Fragen, sei es die Zukunft und Identität Europas, sei es bei der Integration oder dem Traum einer Föderation“, schreibt Enzo Bettiza in La Stampa. Für den italienischen Journalisten wird —

... der Gipfel vom 13./14. Dezember sich wieder einmal 48 Stunden lang in Flurgespräche, in diskrete bilaterale Treffen aufspalten. Nachdem die griechische Klippe umschifft und das spanische Defizit in den Griff bekommen wurde, werden sich die beiden wichtigsten Protagonisten, die Deutschen und Franzosen, bei privaten Abendessen diplomatisch über die beiden bedeutendsten „Störfälle“ derzeit austauschen: die politische Krise in Italien und der wachsende Euroskeptizismus und Anti-Bürokratismus in Großbritannien.

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