Projektion der "griechischen Karyatiden" auf die Fassade des Akropolis-Museum. AFP

Aus Schmuckstück wird Zankapfel

Am 20. Juni eröffnet Athen sein neues Akropolis-Museum. Doch statt mit Stolz zu erfüllen scheiden sich die Geister an dem futuristischen Gebäude. Der Streit mit London flammt erneut auf. Denn die Griechen warten immer noch auf den Mamor, der bis heute im Britisch Museum liegt.

Veröffentlicht am 19 Juni 2009 um 12:58
Projektion der "griechischen Karyatiden" auf die Fassade des Akropolis-Museum. AFP

"Und ? Wie gefällt Ihnen des neue Akropolis-Museum ?". Die Frage wird häufig gestellt und manchmal hört man die Antwort schon aus der Frage heraus. Einen Tag vor seiner feierlichen Eröffnung am 20. Juni klaffen beim neuen Akropolis-Museum die Meinungen auseinander. Selbst Freunde streiten, und zwei Lager zeichnen sich ab: die Ideologen und die Ästheten. Andere vertreten gar fast schon extremistische Positionen.

Die Einweihung stellt schon einen ersten Sieg für den schweizerisch-französischen Architekten Bernard Tschumi und seinen griechischen Kollegen Michalis Fotiadis dar. Die manchmal heftigen Reaktionen sind doch typisch für ein Kunstwerk, das dem vernichtendsten Urteil, was überhaupt über eine vom Menschen geschaffene Kreation gefällt werden kann, entkommen ist: der Gleichgültigkeit.

Je näher der Tag der Eröffnung kommt, desto höher schlagen die Wellen der Polemik. Erneut wird über die Ausmäße des Bauwerks und über seine Integration in das malerische historische Stadtzentrum Athens gestritten.

Zufall oder nicht: kurz vor der Einweihungsfeier findet ein Kongress statt, der sich mit der Zukunft der beiden Gebäude direkt vor dem Museum befasst. Den beiden Gebäuden wurde der Denkmalschutz abgesprochen, damit sie abgerissen oder versetzt werden können und nicht den großartigen Ausblick vom Museum auf den heiligen Felsen der Akropolis zu verschandeln.

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Gerechterweise muss man sagen, dass viele Athener dem Gebäude perplex gegenüberstehen. Es fällt uns Griechen schwer, beide Dimensionen des Projektes unter einen Hut zu bekommen. Einerseits der "patriotische" Auftrag des neuen Museums, ideologisch von großer Bedeutung, denn es wurde in erster Linie errichtet, um den Marmor des Parthenons empfangen zu können. Der Avantgardebau soll dem Anspruch der Griechen auf die Rückgabe der vom englischen Botschafter Lord Elgin 1801 entwendeten Marmorfriese der Ostseite des Tempels Nachdruck verleihen. Griechenland stand zu jener Zeit noch unter osmanischer Herrschaft.

Auf der anderen Seite stehen wir Griechen der modernen, urbanen Architektur traditionell zwiespältig gegenüber. Wir sind an kleine Bauten gewöhnt und tun uns schwer, uns an den alles überragenden Charakter des neuen Museums zu gewöhnen. Doch gab es in der Geschichte Athens schon zahlreiche Architekturskandale, oftmals im Zusammenhang mit dem angeblichen "Größenwahnsinn" der Neubauten.

Ideen

Eine europäische Politik für das Kulturerbe

Das neue Akropolis-Museum wurde vor allem errichtet, um die Marmortafeln des Parthenons zu empfangen, die seit 207 Jahren im British Museum aufbewahrt werden, unterstreicht Eleftherotypia. "Das Londoner Museum verweigert die Rückgabe und schlägt eine Leihgabe vor. Griechenland lehnt dies aber ab, und erhebt Anspruch auf das alleinige Eigentumsrecht". So fasst es die Tageszeitung zusammen und führt fort, dass nach Expertenmeinung es nun bei der EU läge, den Streit zu schlichten. Eine Meinung, die vom britischen Außenminister David Owen geteilt wird. "Der einzige Weg, um die Marmortafeln von Zeit zu Zeit im neuen Akropolis-Museum auszustellen – was wir uns wünschen — ist, dass die EU den Austausch von antiken Skulpturen zwischen Mitgliedsstaaten zulässt. Es wäre eine gute Gelegenheit, zu zeigen, wie eine europäische Politik des Kulturerbes die Museen der Union bereichern kann."

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