Karikatur des portugiesischen Präsidenten Anibal Cavaco Silva. Anstelle der Hände hat er Pfeile, die das Logo seiner Partei, Parti Social Démocrate (PSD) symbolisieren.

Gerichtsbeschluss bedroht Regierung

Als Präsident Anibal Cavaco Silva das Verfassungsgericht beauftragte, drei Auflagen des Sanierungshaushalts 2013 zu prüfen, legte er vielleicht den Grundstein für eine politische Krise, warnt ein Politologe. Zu den möglichen Szenarien gehören die Auflösung der Regierung sowie Neuwahlen. Und so könnte das Volk zur Verantwortung gezogen werden, einen Ausweg aus der Krise zu wählen.

Veröffentlicht am 10 Januar 2013 um 16:02
Karikatur des portugiesischen Präsidenten Anibal Cavaco Silva. Anstelle der Hände hat er Pfeile, die das Logo seiner Partei, Parti Social Démocrate (PSD) symbolisieren.

Das Gesetz bietet dem portugiesischen Staatspräsidenten drei Möglichkeiten, auf das ihm vorgelegte Haushaltsgesetz zu reagieren. Die Auswirkungen auf den Haushalt sind sehr unterschiedlich.

Anibal Cavaco Silva entschied sich für den mittleren Weg, das heißt, er unterzeichnete letztendlich den Haushalt, bat jedoch das Verfassungsgericht, ihn auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Dabei scheint sich der Präsident allerdings nicht darüber bewusst gewesen zu sein, dass seine Entscheidung, die er für ein salomonisches Urteil hielt, nicht nur die Endstation für das Kabinett der Regierung unter Pedro Passos Coelho bedeuten, sondern zu einer wahren Entgleisung führen könnte.

Schlaflose Nächte und Augenringe

Sollte das Verfassungsgericht erklären, dass die drei vom Staatspräsidenten angezweifelten Auflagen in der Tat verfassungswidrig sind, muss die Exekutive einen anderen Weg finden, um die 1,3 Milliarden Euro, die auf diese Weise eingenommen werden sollten, zu finden, sonst kann es ihr Programm nicht umsetzen, das letzten Endes die Voraussetzung für die Finanzierung des Landes im Rahmen des mit der Troika geschlossenen Abkommens ist. Das heißt, die Ausbezahlung der berühmten Tranchen, nach denen sich die Staatsfinanzen sehnen, und die den Ministern schlaflose Nächte bereiten, wie es ihre dunklen Augenringe bezeugen.

Genau hier liegt der Kern des Problems. Wie und wo soll die Regierung die fehlenden Mittel finden, wo doch die Steuerzahler bereits unter dem unerträglichen Gewicht der Steuerlast ächzen und die – meines Erachtens zu Recht – getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Schattenwirtschaft nicht sofort Ergebnisse zeigen oder, was noch besser gewesen wäre, rückwirkend gezeigt haben?

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Leider wird Passos Coelho, der sich so angestrengt hat, um an die Macht zu kommen, die Antwort auf diese Frage kaum gefallen: Der Zug sitzt fest und die Regierung wird wohl nirgendwo zusätzliche Einnahmequellen erschließen können.

So bleibt Pedro wahrscheinlich nichts anderes übrig, als Cavaco Silva seinen Rücktritt anzukündigen, ihm zu überlassen, das Problem zu lösen, und an die Seite seiner Frau Laura zurückzukehren – das ist der Preis, den er für seine vertraulichen Weihnachtsgrüße auf Facebook zahlen muss. In diesem Fall käme Cavaco eine wichtigere Rolle zu: Ernennung einer Regierung durch den Präsidenten, wie seinerzeit Ramalho Eanes, oder vorgezogene Wahlen, die dem Volk, ob es nun will oder nicht, die Lösung des Problems aufzuhalsen.

Das Ende des portugiesischen Modells

Dabei ist es nicht einmal sicher, dass die Wähler, die vorzeitig zu den Wahlurnen gerufen werden, sich mehrheitlich für eine Partei aussprechen. Und eine instabile Regierung verträgt sich nicht unbedingt mit der Ausbezahlung der Finanzhilfe, ohne die der Staat seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Pedro Passos Coelho dürfte also nicht das einzige Opfer der politischen Krise sein. Denn Cavaco Silva, der wegen seines Schweigens im Mittelpunkt der Kritik stand, hat sich letzten Endes entschlossen, seine Meinung auszudrücken, in einer Ansprache, der es nicht an Zweideutigkeiten fehlte, während die Opposition, die sich bereits an der Macht wähnt, ihre eigenen Interessen dem Interesse des Landes vorzieht.

Die Portugiesen, die die Entwicklung in Griechenland gebannt verfolgen, haben bereits verstanden, dass es diesmal nicht nur um die Verurteilung der Politik der gegenwärtigen Regierung geht, sondern um das Ende des portugiesischen Modells, oder zumindest der portugiesischen Art, Politik zu betreiben.

Das Fortbestehen einer minderwertigen politischen Klasse, die keine Rücksicht auf das nationale Interesse nimmt, und der Mangel an Stimmen, die noch fähig sind, Begeisterung auszulösen, haben dem Recht erlaubt, die Politik zu unterwerfen.

Portugal lässt danken!

Debatten

Empfehlungen des IWF möglicherweise verfassungswidrig

„Der IWF gießt noch mehr Öl ins Verfassungs-Feuer“, berichtet Público einen Tag nachdem Jornal de Negócios die Einzelheiten des 80-seitigen Berichts bekannt gab, den die portugiesische Regierung vom IWF erhalten hat. Darin empfiehlt der Internationale Währungsfonds eine Reihe von dauerhaften Lohn- und Rentenkürzungen, sowie Entlassungen im öffentlichen Dienst.

Diese Vorschläge heizen die Diskussionen um die Landesverfassung nur noch mehr an, schreibt die Zeitung, die sich bei zwei Verfassungsexperten kundig machte. Beide erklärten, dass die kommenden Reformen „verfassungswidrig sein könnten“, darunter die dauerhaften Kürzungen aller Renten um fünfzehn Prozent, die Abschaffung des 13. und 14. Monatsgehalts, die an das BIP-Wachstum gekoppelt sind, die Anhebung des Rentenalters von 65 auf 66 Jahre, die neue Berechnungsformel für derzeitige und zukünftige Rentner, sowie die dauerhaften Lohnkürzungen für Staatsbedienstete.

In ihrer Kolumne schreibt Público, dass

der IWF-Bericht zwei widersprüchliche Ansätze verfolgt: Einerseits macht er Interessengruppen dafür verantwortlich, dass Staatsausgaben Ungleichheit geschaffen haben und weist darauf hin, dass die Ineffizienz des Staats die Bürger bestraft. Andererseits empfiehlt der IWF hauptsächlich Entlassungen und Lohnkürzungen im öffentlichen Bereich, oder aber Einschnitte bei der Altersversorgung.
Genau damit gelangen wir in den Diskussionen an einen Punkt zurück, an dem wir uns schon einmal befanden: Worüber sprechen wir wirklich, wenn wir von staatlichen „Exzessen“ reden? Diese Frage sollte ernstgenommen und schleunigst beantwortet werden.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema