Ausweiskontrolle in einem Roma-Lager bei Aix-en-Provence, August 2010.

Gute Frage, schlechte Antwort

Am 9. September verurteilte das Europäische Parlament Frankreich zu recht für seine Einstellung gegenüber der Roma. Dabei hat Frankreich allerdings die Frage nach ihrem Platz in Europa aufgeworfen, die die Union nicht länger beiseite schieben kann.

Veröffentlicht am 10 September 2010 um 15:53
Ausweiskontrolle in einem Roma-Lager bei Aix-en-Provence, August 2010.

In der derzeitigen Debatte über die Situation der Roma hat Frankreich in vielerlei Hinsicht unrecht. Zunächst war da diesen Sommer die Version, die aus den höchsten Rängen der Staatsführung kam. Sie gab zu verstehen, dass man dort Immigration und Kriminalität gemeinsam in einen Topf warf. Sie hinterließ den Eindruck, dass man der gesamten Gemeinschaft der Roma die Verantwortung für die Missetaten Einiger aufbürdete. Ob man dies nun Verallgemeinerung oder Sündenbocktechnik nennt, das Ergebnis bleibt das gleiche, ist verdammungswürdig und inakzeptabel. Sicherlich könnte man sich auch über die Legalität nach europäischem Recht fragen, mit der die Abschiebung mehrerer hundert in Frankreich lebender Roma innerhalb weniger Wochen entschiedenen wurde.

Dies kratzte das Bild Frankreichs in der Welt an. Und die Art, wie das Thema behandelt oder eher für Wahlzwecke ausgeschlachtet wurde, wiegt schwer auf Nicolas Sarkozys Bild innerhalb der EU. In einer stichhaltigen aber nicht verpflichtenden Resolution hat das Europäische Parlament am Donnerstag, den 9. September die Haltung, von Paris gegenüber der Roma stigmatisiert. Der Minister für Immigration, Integration und nationale Identität Eric Besson meinte, darauf reagieren zu müssen, indem er das "Diktat" der Europaabgeordneten anprangerte. Solch grundlose Geringschätzung gegenüber einer der großen Institutionen der Europäischen Union verbessert den Ruf Frankreichs sicherlich nicht. Sie ist umso unangebrachter, als dass der Präsident – diesmal mit einigen soliden und guten Ideen – den Alten Kontinent zusammenschweißen möchte, bevor er im Oktober die Präsidentschaft des G20 übernehmen will.

Frankreich ist nicht der Alleinschuldige

Doch die Anklage soll nun ein Ende haben. Denn Frankreich ist absolut nicht Alleinschuldiger in der Angelegenheit der Roma. Es ist nicht das einzige Land, das Abschiebungen vornimmt. Deutschland, Schweden und Italien handeln zum Beispiel genau so. Warum? Weil die Union mit einem Problem konfrontiert wird, das man besser nicht ignorieren sollte und das nicht einfach so von alleine verschwinden wird. Als die EU 2007 Rumänien und Bulgarien eingliederte, konnte sie die Augen nicht davor verschließen, dass sie gleichzeitig die Situation einiger Millionen Roma in den beiden Ländern erbte. Diese Situation war ziemlich scheußlich, denn im einen wie im anderen Land werden die Roma wie Paria behandelt, wie zweitrangige Bürger, die Opfer von Rassismus und allen möglichen Arten von Gewalt sind. Da sie jetzt europäische Staatsbürger sind, suchen viele Roma ein besseres Schicksal in den reichsten Ländern der EU.

So sieht man hier und da an den Außenbezirken der Großstädte Italiens und Frankreichs Barackensiedlungen wieder auftauchen. Unter den zusammengezimmerten Bretterbuden haben sich Familien in der Hoffnung auf eine unwahrscheinliche Integration zusammengefunden. Diese Realität nicht sehen zu wollen, kommt einer unhaltbaren radikal-schicken Leichtigkeit gleich und verbessert das Schicksal der Roma um keinen Deut. Wie der französische Europaminister sagt, muss die Europäische Union einen "Notplan" für die Roma aufstellen. Mit einer Priorität: Ihnen als erstes vor Ort zu helfen, und Bukarest und Sofia ihre Verantwortung zu verdeutlichen.

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Übersetzung: Signe Desbonnets

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