Nach E-Verwaltung, her mit den E-Bürgern!

Estland ist Pionier der E-Verwaltung. Nun plant das Land eine elektronische Identität für alle. Ziel: nationale und ausländische Talente ans sich zu binden, selbst wenn diese das Land verlassen.

Veröffentlicht am 8 März 2013 um 12:20

Um den Weg zu einem wirklichen E-Staat weiterzugehen, müsste man allen Menschen, die ins Land kommen eine estländische E-Identität zusprechen. Anders gesagt, der Staat sollte alles daransetzen, dass Menschen — egal ob estnische Staatsangehörige oder Ausländer—, die mehr oder weniger lang im Land gelebt haben, als E-Bürger mit uns vernetzt bleiben. Das Land würde an Glaubwürdigkeit gewinnen und könnte mehr Investoren anlocken.

Das ist keine Science Fiction, wie wir nachweisen werden. Grundstein des E-Estlands ist der elektronische Ausweis und das staatliche Datennetzwerk X-tee, die in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiern. Rund 500.000 Menschen benutzen ihren elektronischen Ausweis als Personalausweis oder als elektronische Signatur.

Der Anteil der Internetnutzer (78,6 Prozent) ist einer der höchsten der Welt. Ein geschickter User kann fast alles mittels Computer oder Smartphone regeln. Es gibt eine E-Polizei, ein E-Gesundheitswesen, digitale Rezepte, Online-Shops, Online-Zahlung, Parkplätze via Smartphone, ein elektronisches Handelsregister.

Der „E-Tiger“

Mari Pedak, Beraterin der Akademie für eine E-Regierung meint: „Jetzt ist es Zeit, noch einen Sprung nach vorn zu machen, denn neben dem klassischen Staatsapparat ist ein zweiter herangewachsen, der E-Staat.“ Für sie sollte Estland aktiv, wenn nicht gar offensiv, sein Konzept des „E-Staats“ vermarkten. Nicht weil das zum Ruf des Landes als „E-Tiger“ beitragen würde, sondern auch um Arbeitsplätze im Bereich der Informationstechnologie zu schaffen.

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In Bezug auf Fachkräfte aus In- und Ausland, die das Land verlassen haben, schlägt Mari Pedak vor: „Wir sollten dafür sorgen, dass sie mit Estland vernetzt bleiben. Das erhöht die Chancen, dass die Menschen eines Tages zurückkehren und sei es nur auf Zeit. Lassen wir sie Estland nicht vergessen“, fügt sie hinzu. Anders gesagt ein Estland der E-Bürger, die im Netz ihren estnischen E-Ausweis als Identitätsnachweis nutzen. In diesem Fall sollte der Staat auch jenen, die nicht die estnische Staatsbürgerschaft, aber eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, auf Antrag einen E-Personalausweis ausstellen.

E-Identität auch für Ausländer

Die Akademie für eine E-Regierung will erreichen, dass jeder Ausländer, der legal im Land verweilt, eine elektronische Identität bekommt, die ihm einen sofortigen Zugang zu den meisten Onlinediensten ermöglicht. „Die Ausländer, die ins Land kommen sind in der Regel besser ausgebildet und verdienen mehr als der Durchschnittsbürger“, notiert der Gründer der Akademie, Ivar Tallo. „Es sind zwar nicht viele, aber unsere Banken und Telekomunternehmen müssten ein großes Interesse daran haben, sie als Kunden zu gewinnen.“

Heute können viele estnische Unternehmer und Manager, die im Ausland weilen, nicht die staatlichen Online-Dienste nutzen, da sie meist keinen nationalen E-Ausweis besitzen. Die Möglichkeit, alle E-Services nutzen zu können, würde beispielsweise ermöglichen, eine Person aus sicherheitstechnischen Gründen zu identifizieren.

„Zudem wäre das ein Anreiz, um in Estland zu investieren. Das Vertrauen der Unternehmer in die Behörden würde gestärkt. Auf lange Sicht stellt das für Estland einen realen finanziellen Gewinn dar, denn Ausländer investieren bereitwilliger, wenn ihnen die Verfahren dank der E-Services erleichtert werden“, notiert Pedak. Viel Zeit bliebe Estland nicht, meint Tallo, denn wenn sich auch in Deutschland der E-Personalausweis erst einmal verallgemeinert habe, werde der E-Stern Estlands rapide sinken.

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