Retter Russland lässt auf sich warten

Nikosia ruft Russland zu Hilfe, das erhebliche Einlagen in zyprischen Banken hat. Doch die Russen stellen ihre Bedingungen: Man will keine höheren Steuern für russische Unternehmen oder schon gar nicht für Verluste zyprischer Banken aufkommen. Russland erwartet eine Geste der Europäischen Union.

Veröffentlicht am 22 März 2013 um 16:45

In seinem tückischen Kampf mit der Europäischen Union hat der Kreml den Gegenangriff gestartet. Die EU hätte es fast geschafft, Zypern davon zu überzeugen, eine konfiskatorische Steuer einzuführen, welche den staatlichen russischen Konzernen erheblichen Schaden zugefügt hätte. Es ist nun nicht mehr möglich, einen einfachen Weg aus der Krise, ohne herbe Verluste, ins Auge zu fassen. Und der fehlende Eifer Russlands, Zypern eine neue Finanzhilfe zu gewähren, ist für Europa ein bequemes Mittel, um den Druck zu erhöhen.

Zypern hofft auf Hilfe aus Moskau und bietet dafür gewisse „Vorteile“ für die russische Wirtschaft an. Der zyprische Finanzminister Michalis Sarris betonte am 20. März, dass er nicht mit leeren Händen(3567401) nach Moskau gekommen sei. Er sei angereist, um Moskau die Perspektiven zu erklären, die sich Russland öffnen würden, sollte das Land der Insel unter die Arme greifen. Eine Beteiligung am Bankensystem und an der Erdgasförderung steht dabei ganz oben auf der Liste. Was Zypern möchte, sei keinesfalls ein Kredit, sondern eine Transaktion, von der im Grunde beide Seiten profitieren können.

Russland hat Zeit

Doch Russland scheint sich Zeit lassen zu wollen. Andrej Kostin, Chef der [zweitgrößten] russischen Bank VTB [Vnechtorgbank], eines der Hauptopfer der Zypernkrise, ließ erklären, dass sein Geldinstitut überhaupt nicht am Kauf von Bankaktiva der Insel interessiert sei: „Vor Ort gibt es zwei Banken, die in einer kritischen Lage sind, und die saniert werden müssen. Es wäre absurd zu behaupten, dass wir ein berechtigtes Interesse daran hätten. Unser einziges Interesse ist es, so schnell wie möglich wieder Zahlungen leisten und die Konten unserer Kunden verwalten zu können.“ Er fügt hinzu, dass seine Bank „ihre Aktivität schlicht und einfach einstellen und den zyprischen Markt verlassen wird“, sollte es „rechtswidrige Entscheidungen geben, die von der Politik diktiert werden.“

Am Vortag hatte Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew in einem Interview mit europäischen Medien erklärt, dass auf Zypern die russischen Großbanken und Unternehmen mit staatlicher Beteiligung blockiert seien, obwohl es weder in den Bilanzen noch gegenüber dem Fiskus Probleme gebe.

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Er bestätigte damit im Vorbeigehen, dass das Steuerparadies Zypern nicht nur für die Unternehmen aus dem privaten Sektor attraktiv ist, sondern auch für die staatlichen. Der Ministerpräsident fügte hinzu, dass Russland über eine Zypernhilfe nachdenken werde, sobald die Europäische Union ihre eigenen Vorschläge zur Bekämpfung der Krise bekanntgegeben hätte.

EU gibt sich versöhnlich

Russland gönnt sich eine Atempause. Das Land weiß nicht, wie es aus dieser Krise herauskommen könnte, ohne Federn zu lassen und hat beschlossen, sich mit einer abwartenden Haltung an der Europäischen Union zu rächen. Denn: Sollte Russland sich zurückziehen, wird Europa nicht 10 Milliarden Euro für die Rettung Zyperns aufbringen müssen, sondern 17 Milliarden.

Angesichts dieses geopolitischen Kampfs haben einige hohe EU-Beamte versucht, einen versöhnlicheren Ton anzuschlagen. So verwies EU-Kommissionspräsident auf die späte Stunde des Finanzminister-Treffens, welches erst am frühen Samstagmorgen zu einer Entscheidung kam. Dies wäre der Grund gewesen, warum man Moskau nicht früher informiert hatte.

Der Ton der Europäer mag zwar versöhnlich sein, in den Taten ist nicht viel davon zu spüren. Schon am Montag könnte die EZB Zypern den Geldhahn zudrehen, was die gesamte Wirtschaft der Insel an den Rand des Zusammenbruchs treiben würde.

Zypern hat keinen ordentlichen Vorschlag

Gestern drohte eine anonyme Quelle aus EU-Kreisen, alle zyprischen Banken abzuwickeln, sollte nicht umgehend eine neue Einigung über die Besteuerung der Bankguthaben gefunden werden, was die New York Post dazu veranlasste, den Machtkampf zwischen Russland und der EU als Showdown zwischen Merkel und Putin zu bezeichnen. Aus dem Ausland gesehen, hätte Putin die den Zwangsabgabenvorschlag der Eurogruppe als eine persönliche Beleidigung genommen.

Experten bestätigen, dass die Insel nicht in der Lage ist, Moskau einen auch nur halbwegs vorteilhaften Vorschlag zu machen. „Für die russische Wirtschaft lag das einzige Interesse am Standort Zypern im Nutzen, den man bis dato ziehen konnte: eine Finanzplattform, um russisches Recht zu umgehen, aber relativ solide und berechenbar. Ansonsten ist für die Investoren das Land Zypern nicht besser als jedes andere politisch stabile Land des östlichen Mittelmeerraums“, kommentiert Viktor Kucharski der Unternehmensgruppe Razvitie.

Er stellt aber auch fest, dass die zyprischen Banken zwar Vermögen aus Russland eingeheimst hätten, noch mehr Gelder jedoch seien aus Großbritannien gekommen. „Deutschland hat beschlossen, einen Teil dieser geheimen Einlagen wieder einzutreiben, um ihn ins EU-Sparschwein zu stecken“, vermutet Kurcharski. Und dann ist ein Skandal daraus geworden. (js)

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