Langer Hürdenlauf in die EU

Es steht fest: Kroatien wird am 1. Juli neues Mitglied der EU und das nach 20 jährigen Verhandlungen. Der Grund für diesen langen Prozess liegt sicher darin, dass die 27 Mitgliedsstaaten mit den vorherigen Erweiterungen keine guten Erfahrungen gemacht haben.

Veröffentlicht am 27 März 2013 um 15:53

Vor mehr als zwanzig Jahren [1991] gehörte Deutschland zu den Ersten unter den heutigen 27 Mitgliedern [damals waren es nur 12] der Europäischen Union, die Kroatien als unabhängigen Staat anerkennen wollten.

Es hatte damals sogar damit gedroht, Kroatien im Alleingang anzuerkennen, wenn die Europäische Gemeinschaft sich nicht auf einen Konsens einigen könne. Heute sträubt sich jedoch gerade Deutschland, den Beitritt Kroatiens in die EU zu ratifizieren.

Es ist nicht das Ende der Liebesgeschichte zwischen Deutschland und Kroatien. Deutschland will sich auch nicht dafür rächen, dass es von Kroatien im Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaften 1998 geschlagen wurde.

Deutschland steht heute an der Spitze der Länder, die die nächste Erweiterungsrunde der EU besonders kritisch betrachten, da sie mit der Situation in einigen der neuen Unionsländer sehr unzufrieden ist.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Club der Skeptiker

Unterstützt wird es in dieser Ansicht von den Niederlanden, Dänemark und Finnland, die ebenfalls meinen, die EU könne es sich aus politischen Gründen nicht mehr leisten, auf die Einhaltung der Grundregeln der EU zu verzichten, das heißt auf den Rechtsstaats und den gezielten Kampf gegen die Korruption und das organisierte Verbrechen.

Deutschland schlug sogar vor, alle Länder, das heißt sowohl alte als auch neue Mitglieder, von Brüssel regelmäßig prüfen zu lassen. Bei Verstoß gegen die gemeinsamen Regeln würden Sanktionen getroffen, das heißt der Zugang zu bestimmten Hilfsfonds gesperrt werden.

Die EU-Erweiterung ist eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte Europas. Dänemark und Finnland, die der Union ebenfalls im Rahmen der Erweiterung beigetreten sind, glauben, dass in diesem Verfahren Fehler begangen wurden, denn es hat sich herausgestellt, dass manche Länder der Union beigetreten sind, ohne wirklich die nötige Reife zu besitzen.

Vergangene Fehler

Sogar die Europäische Kommission meinte, dass Griechenland die Bedingungen eines Beitrittsanwärters nicht erfülle. Nichtsdestotrotz wurde das Land im Kalten Krieg aus politischen Gründen aufgenommen.

Zypern ist ebenfalls in die EU eingetreten, obwohl es nicht die Hoheit über sein gesamtes Staatsgebiet ausübt. Griechenland hatte damals gedroht, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen und den Beitritt der neun übrigen Staaten der fünften Erweiterungsrunde zu blockieren.

Bulgarien und Rumänien erfüllen heute sogar sechs Jahre nach dem Beitritt nicht alle Voraussetzungen und werden von Brüssel genau überwacht. Als sie aufgenommen wurde, hatten politische Erwägungen mehr Gewicht als die Erfüllung technischen Bedingungen.

Als Bulgarien und Rumänien im Rahmen der zweiten Osterweiterung der EU beigetreten sind, hielten das die Länder des ehemaligen Jugoslawiens und Albanien für ein gutes Zeichen.

„Wenn es diesen Ländern gelungen ist, dann sind auch wir bald dabei“, freute man sich. Aber die EU hat aus der Erfahrung gelernt. „Wir haben Fehler begangen, die sich nicht wiederholen dürfen“, hieß es plötzlich aus Brüssel.

Kroatien war das erste Land, das darunter zu leiden hatte. Es musste strengere Auflagen erfüllen. Deshalb hat das Beitrittsverfahren auch zehn Jahre gedauert. Wären dieselben Kriterien schon früher angewandt worden, dann hätte die EU heute deutlich weniger Mitglieder.

In ihrem jüngsten Statusbericht bescheinigt die Europäischen Union Kroatien die Beitrittsreife. Kroatien soll als Vorbild dienen und das Vertrauen in das Erweiterungserfahren wieder stärken. (CR)

Aus Deutschland

Zagreb ist nicht bereit

Die Süddeutsche Zeitung zeigt sich skeptisch in Bezug auf den Bericht der Europäischen Kommission über Kroatiens Beitrittsreife. Die bayrische Tageszeitung unterstreicht die Probleme auf wirtschaftlicher und politischer Ebene, die Brüssel zu übersehen scheint:

Wer den Bericht liest, der wähnt sich in einer parallelen Welt: Nein, es gibt sie nicht, die versäumten Reformen und den ökonomischen Sturm, der seit Jahren in der EU tobt. Auf fünfzehn knappen Seiten stellt die EU Kroatiens angebliche Beitrittsreife fest.

Tatsächlich ist Kroatien wie Griechenland immer noch ein von Klientelismus bestimmtes Land, mit zersplitterter Verwaltung, aufgeblähtem Staatssektor, einer nach viel zu zaghaften Reformen immer noch kaum funktionierenden Justiz, verbreiteter Korruption und einer auf die Herausforderungen der EU so gut wie nicht vorbereiteten, rückständigen Wirtschaft.

All dies steht eindrucksvoll detailliert etwa in Berichten von Internationalem Währungsfonds und Weltbank, Transparency International oder den Vereinten Nationen. Die Kommission aber scheint das zu ignorieren.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema