Sprengt die Steuerparadiese!

Mit der Zypern-Krise wurde allen klar, welchen steuerpolitischen Ausnahmefall die Insel innerhalb der Eurozone darstellt. Dabei unterscheidet er sich gar nicht so sehr von jenem anderer Länder Europas, darunter Luxemburg oder einigen Kanalinseln. Derartige Absurditäten sollten schlicht und einfach abgeschafft werden, fordert der spanische Journalist Xavier Vidal-Folch.

Veröffentlicht am 28 März 2013 um 16:19

Warum wird Zypern versenkt, während niemand auch nur einen Gedanken an die anderen Steuerparadiese wie Luxemburg oder die kleinen britischen Inseln Isle of Man oder Guernsey verschwendet?

Zyperns Entscheidung, in die Opferrolle zu schlüpfen, ist eigentlich ziemlich dumm. Auf die Frage, warum sich niemand die anderen Oasen vorknüpft, gibt es schließlich eine ganz einfache Antwort: Sie bitten ihre europäischen Partner nicht darum, unter den Rettungsschirm schlüpfen zu dürfen.

Milošević versteckte auf der Insel 800 Millionen Dollar

Doch ist das noch lange nicht alles. Der Fall Zypern ist nämlich in der Tat verblüffend. Bis 2007 erhob der Inselstaat nur wenige Steuern. In den 1990er Jahren war es kein Geringerer als Slobodan Milošević, der auf der Insel 800 Millionen Dollar versteckte, nachdem er sich in der jugoslawischen Staatskasse bedient hatte. Zypriotische Banken platzieren, waschen und reinvestieren das schmutzige Geld aus Russland, und ganz besonders die Kapitalerträge aus der Erdölspekulation. In den Augen der CIA macht sich die Insel so am Handel mit Frauen von den Philippinen und der Dominikanischen Republik schuldig, die anschließend sexuell ausgebeutet werden. Zyperns großer Hafen Limassol ist das Paradies für jene Schiffe, die offizielle Regelungen umgehen wollen und deren Aktivitäten ebenso undurchsichtig wie verantwortungslos sind. Sie alle profitieren von der zypriotischen Fahne – die eigentlich eher aussieht wie eine Piratenflagge.

Ferner stehen die Finanzeliten – ganz wie in Irland – dem politisch rechten Lager schändlich nahe. So versuchte [Zyperns] Finanzminister Michalis Sarris die freundschaftlichen Bande zu Moskau zu stärken, um die Wunden der Banken zu heilen. Und eben der gleiche Sarris war 2012 noch Vorstandsvorsitzender der Finanzinstitution, deren Situation derzeit am katastrophalsten ist: Die Laiki-Bankgruppe.

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Für die OECD ist Zypern eigentlich gar kein Steuerparadies

Hält man sich an die Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), ist Zypern eigentlich gar kein Steuerparadies. Allerdings stimmt, dass die hier erhobenen Steuern ausgesprochen niedrig sind. Und das reicht schließlich aus, um auf der Schwarzen Liste zu stehen. Jedoch treffen die beiden anderen Kriterien nicht zu: Es kann weder von absoluter Undurchsichtigkeit die Rede sein, noch bestätigt werden, dass Drittstaaten es nicht gelingt, sich steuerpolitische Informationen zu beschaffen.

Allerdings gibt es eine Reihe anderer kleiner Einzelheiten, die das Bild der Insel unschöner machen und Zypern schwächen. Sein Finanzsektor ist unverhältnismäßig breit aufgestellt: Insgesamt ist das Geldvermögen über siebenmal so hoch wie das BIP, d. h. doppelt so hoch wie der europäische Durchschnitt (wo die Finanzanlagen etwa 3,5 Mal so hoch sind wie das BIP, in Spanien nur 3,1 Mal so hoch, in Luxemburg dagegen 21,7 Mal). Genau das galt übrigens auch für Irland, wo die Rettung ebenfalls in engem Zusammenhang mit der finanziellen Aktivität stand.

Luxemburg, das reichste Land der Welt

Streng juristisch gesehen ist Zypern also kein Steuerparadies. Auch wenn es nicht weit davon entfernt ist. Genau so wie Luxemburg. Dabei steht keines der beiden Länder mehr auf der Grauen Liste der OECD.

Luxemburg? Schauen wir einmal genauer hin. Mit seinen 200 ausländischen Banken und ausländischen Anlagen mit einem Volumen von über drei Billionen Euro ist das Großherzogtum das reichste Land der Welt. (Das weltweite Volumen beläuft sich auf 20 Billionen Euro.) Hier profitiert man von einem ausgesprochen großzügigen Steuersystem. Allerdings ist die momentane Situation nicht mehr so paradiesisch wie das frühere System, aus dem Unternehmen wie die „Holding 1929“ noch ihren Nutzen ziehen konnten. Sie bezahlten weder Steuerern noch Abzüge. Gesellschaften für die Verwaltung des Familienvermögens mussten bis 2007 weder Abgaben auf Jahresrenten, noch auf Erbvermögen leisten, und waren nicht einmal mehrwertsteuerpflichtig. Seit 2007 aber müssen sie einige Abgaben und eine Steuer von 0,25 Prozent zahlen. Vermutlich ist es das, was wir einen steuerlichen Abgrund nennen können.

Einstimmige Fiskalpolitik? Sprengen wir das Vetorecht!

Vielleicht wird Zyperns Übel eines Tages auch Luxemburg, die Schweiz, Londons Insel-Kanalisation (und... Singapur) befallen. In gewisser Weise brüten diese Gegenden diese Krankheit längst aus. Um zu vermeiden, dass der deutsche oder spanische Steuerzahler sie retten muss, und um zu verhindern, dass die Besitzer ungesicherter Einlagen die Zeche zahlen müssen, gibt es eine Lösung: Die Steuerparadiese müssen gesprengt werden.

Wie? Eine riesige Steuerharmonisierung müsste den Fiskalpakt ergänzen, dessen Ziel es ist, die Ausgaben im Rahmen zu halten. Die Strategie ist folgende: Steuern und Besteuerungsgrundlagen müssten harmonisiert werden. Zudem müssten niedrigere Einkommenssteuersätze eingeführt und überall Mehrwertsteuerausnahmen abgeschafft werden. Außerdem müssten Steuererhöhungen für Unternehmen harmonisiert werden. Gleichfalls müssten die Gewinne, die ausländische Unternehmen in den Steuerparadiesen gehortet haben, gleichmäßig besteuert werden und eine progressive Steuer auf Finanztransaktionen erhoben werden.

Derartige Veränderungen sind nicht einfach so umzusetzen. Innerhalb der EU müssen steuerliche Abkommen einstimmig angenommen werden. All jene, die von den Steuerparadiesen profitieren, und all ihre Freunde, können folglich von ihrem Vetorecht Gebrauch machen. Und das tun sie bisher auch.
Sprengen wir also auch dieses Vetorecht! Und leiten wir diese Nachricht weiter!

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