Die guten Seiten der Krise

In der Not schaffen es die Länder der Europäischen Union, sich bei Themen zu einigen, über die seit Jahren gestritten werden: Überfischung, Asylrecht oder Grenzschutz. Ja doch, kommentiert eine schwedische Journalistin, Europa kann durchaus mit einer Stimme sprechen.

Veröffentlicht am 14 Juni 2013 um 16:33

Der Konjunktureinbruch in der Europäischen Union dauert an, doch ist nicht alles schwarz. Seit kurzem zeigen die EU-Mitglieder ihre Bereitschaft, langjährige Zwistigkeiten aus dem Weg zu räumen.

So ist beispielsweise die Ende Mai beschlossene Reform der Fischereipolitik wesentlich besser und entschlossener als von vielen erwartet. Sollten die Unterzeichnerstaaten die vereinbarten Regelungen umsetzen, dann könnten die Fischbestände sich erholen und deren Stabilität gewährleistet werden. Ein Dossier, welches beweist, dass von Europa durchaus positive Impulse ausgehen können. Keine andere internationale Institution nimmt das Problem der Überfischung in Angriff. Da die Ozeane keiner Regulierung unterliegen, ist es schwierig, eine wahllose Ausbeutung andernorts in der Welt zu verhindern.

Auch beim bis dato heißen Thema der Wiederherstellung von Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedsstaaten ist vor einigen Wochen in Brüssel eine Einigung gefunden worden. Vor einigen Jahren wollten Frankreich und Italien neue Regelungen, um wieder Passkontrollen an den Grenzen innerhalb der Union einzuführen. Auch Dänemark forderte Passkontrollen an der Öresundbrücke, [die Dänemark und Schweden verbindet].

Die EU-Kommissarin - schwedischer Herkunft - Cecilia Malmström stemmte sich gegen die Versuche der Mobilitätsbeschränkung und konnte nun ihren Standpunkt durchsetzen. Die Vereinbarung wurde überarbeitet und begrenzt sogar die Möglichkeit, dass Mitgliedsstaaten Grenzkontrollen auf eigene Faust wieder einführen.

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Wichtige Einigung beim Asylrecht

Auch in der Asylpolitik konnten sich die EU-Länder am Ende verständigen. Die Verhandlungen zogen sich über Jahre in die Länge und waren von tiefen Meinungsverschiedenheiten geprägt. Noch vor einem Jahr glaubte kaum jemand, dass eine Einigung gefunden werden könnte. Doch in diesem Frühjahr wandelten sich plötzlich die Meinungsverschiedenheiten in Einigkeit.

Am 12. Juni wird das Europäische Parlament über ein ganzes Arsenal von Gesetzestexten abstimmen, das im Rahmen der Vereinbarung vorgesehen ist. Es geht dabei unter anderem darum, die Bestimmungen für die Aufnahme von Flüchtlingen und für die Prüfung von Asylanträgen zu verschärfen. Laut Cecilia Malmström würde die neue Regelung allgemein zu einer Verbesserung der Asylpraxis führen. Sicher, noch ist das alles nicht unter Dach und Fach, einmal abgesehen davon, dass es auch einige Bestimmungen gibt, die nicht unbedingt Lobeshymnen verdienen. Die Speicherung der Fingerabdrücke von Asylbewerbern in einer gemeinsamen Datenbank mit Namen Eurodac beinhaltet eine zentrale Verwaltung, sowie eine Überwachung der Menschen, die zu weit gehen.

Plötzliche Kompromissbereitschaft

Trotzdem. Die Vereinbarungen in der Fischereipolitik, dem Grenzschutz und dem Asylrecht gehen in die richtige Richtung. Erst vor ein paar Tagen urteilte der Europäische Gerichtshof, dass laut Dublin-Verordnung, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht [von einem Land in ein anderes] abgeschoben werden können, was zeigt, dass Europa humaner vorgehen will.

Wie ist das alles möglich? Einer meiner Kontakte erzählte mir, dass die EU-Kommission die Mitglieder durch Verschleiß zur Einigung zwingt. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen fehlt den Ländern schlicht die Kraft und man verständigt sich am Ende. Andere habe dafür eine politische Erklärung: [Nicolas] Sarkozy und [Silvio] Berlusconi sind weg vom Fenster - und damit die wichtigsten Befürworter in den letzten Jahren einer Wiedereinführung von Grenzkontrollen.

Es gibt noch eine andere Erklärung für die plötzliche Kompromissbereitschaft der EU-Mitglieder. Die wirtschaftlichen Probleme spalten nicht nur und bringen die Länder gegeneinander auf, sondern sie sind auch gleichzeitig ein Vektor der Einheit. Die Krise hat gezeigt: Die einzelnen Länder sind anfällig und man hängt voneinander ab. Da muss man zusammenhalten.

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