Portugals Premierminister Pedro Passos Coelho

Portugal lässt die Eurozone erzittern

Mit der politischen Krise in Portugal durchquert die EU neue Turbulenzen. Während immer mehr Stimmen das Ende der Krise verkünden, bleibt eine Frage weiterhin offen: Wie soll es weitergehen, vor allem in den politisch geschwächten Ländern, mit einer Sparpolitik ohne Konjunkturprogramme?

Veröffentlicht am 4 Juli 2013 um 14:57
Portugals Premierminister Pedro Passos Coelho

Minister treten zurück, eine Regierung wankt und sogleich macht sich auf den Finanzmärkten wieder die Angst breit. Wer hätte noch vor ein paar Wochen gedacht, dass Portugal so viel Hektik auslösen würde? Dabei wird das Land seit Verabschiedung des 78-Milliarden-Rettungspakets als gutes Beispiel angesehen. Man muss auch zugeben, dass Lissabon keine Mühe gescheut hat, um die Staatsfinanzen zu sanieren, den Verwaltungsapparat zu entschlacken und mutig die von den Gläubigern geforderten Reformen umzusetzen.

Doch hinter der Fassade des Musterschülers der Eurozone tun sich riesige Risse auf. Der Plan zur Haushaltskonsolidierung führte eine schwere Rezession herbei, und die Regierung hat die Unterstützung der Bevölkerung verloren. Eine Spar-Müdigkeit hat das Land ergriffen. Neuwahlen drohen und man drängt darauf, die internationalen Hilfen neu zu verhandeln. Und hinter alldem geht weiterhin das Gespenst einer aufgezwungenen Umschuldung um, wenn nicht gar des Ausschlusses aus der Eurozone.

Die bösen Geister sind zurück

So hat nun also Portugal in der Eurozone die bösen Geister des Jahres 2011 wieder erweckt, dem Jahr, als die Anleger Griechenland auf den völligen Bankrott zusteuern sahen, gefolgt von Spanien und Italien, und als die europäischen Banken das Vertrauen jener verloren, von denen sie finanziell gestützt wurden. Ein Erwachen zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt: Die Nervosität hat stark zugenommen, seitdem sich die Anleger bewusst geworden sind, dass sie nicht für immer und ewig auf großzügige Finanzspritzen der Zentralbanken verlassen können, damit die Rezession abgefedert und das politische Unvermögen wettgemacht wird. Was kann die EZB denn heute anderes tun, als die Regierungen auf eine Beschleunigung der Reformen zu drängen?

Zurecht haben in den vergangenen zwölf Monaten die Finanzmärkte das energische Durchgreifen eines Mario Draghi begrüßt, der zunächst die Banken unterstützte — mit gewährten Milliardenkrediten — und dann die Länder — mit dem Schutzschirm eines Ankaufprogramms von Staatsanleihen.

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Doch das Wichtigste haben sie vergessen: Das lahme Wachstum und Kreditgeschäft in den sogenannten Ländern der „Peripherie“, die unter der Schuldenlast, der hohen Arbeitslosigkeit und der Instabilität ihrer Regierungen zusammenbrechen. Und vor allem wurde vergessen, dass die Kluft innerhalb der Euroländer immer noch groß ist, wenn nicht gar wächst. Langfristig ist das nicht zu halten. Es sei denn, man entschließt sich, Ressourcen zu vergemeinschaften und Souveränität abzugeben. Da es unwahrscheinlich ist, dass sich Deutschland vor den Wahlen im September und dem Urteil des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zum Eurorettungsschirm zu irgendeiner Geste hinreißen lässt, verspricht der Sommer noch sehr turbulent zu werden.

Aus Madrid

„Korrekturen sind weise“

In der spanischen Tageszeitung El País wartet Kommentator Xavier Vidal-Folch nach der portugiesischen Krise immer noch auf die „große Revision“ der europäischen Sparpolitik:

Der Musterschüler wird unruhig [und] fordert eine großangelegte Revision der exzessiven europäischen Sparpolitik.

Dies sei dringender notwendig, als „im Zuge von aufeinanderfolgenden Berichten zahllose Mini-Korrekturen vorzunehmen“, wie es derzeit in Europa geschehe, schreibt Vidal-Folch und zitiert als Beispiel das zweite griechische Rettungspaket vom Juli 2011, welches zu einem Schuldenschnitt und bessere Kreditkonditionen für Griechenland führte, sowie die Entscheidung des EU-Finanzministerrats (ECOFIN) vom 21. Juni, die Laufzeiten für Portugal und Irland zu verlängern. Als letztes Beispiel nennt der spanische Journalist die Entscheidung des Europäischen Rats vom 3. Juli hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit:

Korrekturen sind weise. Bravo. Das Problem ist nur, dass das häppchenweise durchgeführte Nachbessern nicht zur großen Revision führt, die gegen die heutige Doppel- Rezession notwendig ist.[...] Wäre man von Anfang an so großzügig gewesen, hätte man nicht einen Teil der Rezession, viel von der Enttäuschung über Europa und großes soziales Leid verhindern können?

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