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Das große Reform-Chaos

Am 8. Juli wurde eine weitere Hilfstranche für Griechenland beschlossen. Im Gegenzug verpflichtet sich Athen, 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen — der beste Weg um die für die Umsetzung der Reformen notwendige Unterstützung der Menschen endgültig zu verlieren, bedauert ein griechischer Kommentator.

Veröffentlicht am 9 Juli 2013 um 15:21
Sehr geehrte Damen und Herren, ab jetzt brauchen wir ein längeres Alphabet.

Eine tiefgreifende Reform der öffentlichen Verwaltung ist dringend notwendig und die höchste Priorität für unser Land. Für einen reibungslosen Betrieb des öffentlichen Dienstes gehören sowohl Strukturen wie Personal, als auch dessen Mobilität ständig geprüft. Nur so kann man einen modernen, produktiven und effizienten Staatsapparat aufbauen. Dasselbe gilt für alle Reformen. Wenn sie dem griechischen Volk zugute kommen sollen, müssen sie auch positive Auswirkungen für die Menschen haben. Doch da die Reformen manchmal auf chaotische Weise zusammengeschustert werden, wird das Volk, welches sie mittragen soll, zurecht misstrauisch.

Nehmen wir als Beispiel die begonnene Verwaltungsreform. Hier war das Hauptziel zunächst der Abbau von 15.000 Stellen. Aber um die Öffentlichkeit nicht auf die Palme zu bringen, wurde von Evaluierung, von Mobilität gesprochen. Doch das Ziel blieb dasselbe: Stellenabbau! All das bringt die Institutionen zwar nicht voran, schafft aber Misstrauen und ein miserables politisches und soziales Klima, und das zu einem Zeitpunkt, an dem Modernisierung notwendiger ist denn je.Zumal das „Dringlichkeitsverfahren“ angewandt wurde, ohne dass irgendeine strukturelle Verbesserung zu verzeichnen wäre.

Der öffentliche Dienst wird immer schlechter

In Wirklichkeit wurde ein sehr seriöses Vorhaben geschwächt, weil die Troika weiterhin aufgrund irgendwelcher ideologischen Obsessionen Druck macht. Die Gefahr dabei ist, dass die Kommunen, Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen auf der Strecke bleiben. Einzig ein vernünftiges Management der Reformen ist der Schlüssel dafür, dass diese überhaupt zum Erfolg führen. Es ist unmöglich zu reformieren, wenn man fast jeden gegen sich weiß. Wie wir gerade am Beispiel des katastrophalen Managements rund um die Schließung des öffentlichen Rundfunks sehen konnten. Und heute rennen die Regierungspartner umher wie aufgescheuchte Hühner, und schaffen es nicht, das zerschlagene Porzellan zu reparieren.

Leider wurde einem die „Reform“ in den vergangenen dreieinhalb Jahren in jeder rhetorischen Form gepriesen. Fakt aber ist, dass der öffentliche Dienst immer schlechter wird, und die Menschen dafür immer mehr in die Tasche greifen müssen. Verständlich also, dass ihr Misstrauen wächst...

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Aus spanischer Sicht

„Ein perverses Muster“

Die Einigung auf zusätzliche 6,8 Milliarden Euro für Griechenland ist nichts als eine „Wiederholungsspirale“, schreibt El País. Die spanische Tageszeitung ist der Ansicht, dass „das Griechenland/EU-Verhaltensmuster” auf diese Weise „fortgesetzt wird”:

Nichteinhaltung der Verpflichtungen, erneute Kompromisse und Hilfsgelder. Das wiederholte Schema besteht aus drei Phasen. Zuerst stellt die Troika fest, dass eine Regierung, die Interventionsmaßnahmen untersteht, die Bedingungen des getroffenen Abkommens nicht einhält. Dann bemüht sich die betroffene Regierung um einen Kompromiss, in welchem sie verspricht, die nicht erfüllten Verpflichtungen mit anderen Maßnahmen auszugleichen: Kürzungen, Reformen oder beides. Oder sie schlägt eine Änderung der Rückzahlungstermine vor. Dadurch soll die Aushändigung der EU-Hilfsgelder vereinfacht werden. [...] Die Realität dieses perversen Musters lässt sich nicht verhüllen: Länder, die Rettungsgelder bekommen, müssen sich einem starken Druck aussetzen. Dieser verschlimmert ihre Tendenz, sich vor ihren Verpflichtungen zu drücken (Griechenland), bzw. er untergräbt diejenigen Regierungen, die die erforderlichen Kürzungen umsetzen (Portugal). Wir sollten auch beachten, dass die Position derjenigen, die diese Hilfsgelder bereitstellen, widersprüchlich ist: Einerseits bestehen sie auf Sparmaßnahmen in den unterstützten Ländern, andererseits entscheiden sie, so wie der IWF, dass ihre Probleme durch die Sparpolitik noch verschlimmert wurden.

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