Nachrichten Korruption in Europa

Im Sumpf der Affären

Am selben Tag, an dem Silvio Berlusconi wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, musste sich Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy vor dem Parlament zum Schwarzgeld-Skandal äußern. Eine Koinzidenz, die zeigt, wie die „Affären“ das politische Klima in Europa vergiften.

Veröffentlicht am 2 August 2013 um 15:05

Es sind leider schon alltägliche Szenen im politischen Leben Europas. Politiker, manchmal auf höchster Staatsebene, müssen sich wegen Korruption, unethischen Verhaltens oder illegaler Parteienfinanzierung verantworten. Zehn Monate vor den Europawahlen, die in Frankreich, Spanien und Italien am 15. Mai stattfinden werden, nährt diese Tatsache das Misstrauen der Menschen gegenüber Politik und Demokratie.

In Italien musste Sivlio Berlusconi am 1. August mit ansehen, wie das Oberste Berufungsgericht des Landes die gegen ihn verhängte vierjährige Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung unanfechtbar bestätigte. Nur einer Amnestie aus dem Jahr 2006 hat es der dreimalige Ministerpräsident zu verdanken, dass das Strafmaß auf ein Jahr reduziert wurde. Und seinem hohen Alter, 76, dass er nicht hinter Gitter muss. Doch die Anklagepunkte — ein System von Offshore-Scheinfirmen, um die Preise für Filmübertragungsrechte an Berlusconis Medienimperium Mediaset am Fiskus vorbei künstlich in die Höhe zu treiben — unterstreichen, wie tief das italienische Politsystem versumpft und am Ende ist.

In Spanien, wo das Königshaus in zahlreiche Skandale verstrickt ist, musste dann am selben Donnerstag der Regierungschef vor den Parlamentariern ein demütigendes Geständnis ablegen. Mariano Rajoy wies alle Anschuldigungen des ehemaligen Schatzmeisters seiner Partei — dem seit Ende Juni wegen Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft sitzenden Luis Bárcenas — zur illegalen Finanzierung der Volkspartei PP zurück. Überzeugen konnte er nicht. Rajoy, der nur einen Fehler einräumte, nämlich, Bárcenas vertraut zu haben, versuchte „zu verhindern, dass Spaniens Image weiter erodiert“. Die sozialistische Opposition forderte Rajoys Rücktritt. Bis heute hat sich die Partei nicht vom Wahldebakel von November 2011 und dem Sturz José Luis Rodriguez Zapateros erholt.

Ein gefundenes Fressen für Populisten

Frankreich liefert kaum ein besseres Bild ab. Auch hier gehören Skandale verschiedener Art und von unterschiedlichem Ausmaß zum politischen Alltag. Sie betreffen sowohl das linke Lager als auch die Konservativen. Ein Minister der Republik, Jérôme Cahuzac, hat monatelang den Präsidenten und die Öffentlichkeit hinsichtlich der Existenz eines Schweizer Bankkontos belogen. Ein ehemaliger Staatspräsident, Nicolas Sarkozy, musste mit ansehen, wie sein Wahlkampfbudgetvom Verfassungsrat abgelehnt wurde, weil er die Regeln, deren Garant er eigentlich selbst hätte sein sollen, nicht eingehalten hat. Die Affären häufen sich, rechts, in der Galaxie Sarkozy, und links, bei den sozialistischen Parteigrößen, von denen mehrere unter Korruptionsverdacht stehen. Entwicklungen, die das Misstrauen der Öffentlichkeit nähren. Umfrage für Umfrage steigt die Politikverdrossenheit. Der Front National kann’s nur recht sein.

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Europa steckt in der Krise, der Pessismismus wächst. Italien, Spanien und Frankreich, ganz zu schweigen von Rumänien und Bulgarien — liefern jedoch ein desaströses Bild der Demokratie.

Im Mai befragte das Umfrageinstitut Ipsos im Auftrag von Publicis 6198 Menschen aus ganz Europa. Die Zahlen sind alarmierend. Auf die Frage, wer angesichts der Krise konstruktive Lösungen anbiete, nannten in Frankreich nur 21 Prozent ihre eigene Regierung, in Spanien 19 Prozent und in Italien nur 15 Prozent — in Deutschland hingegen 45 Prozent. Sollte dieses schädliche politische Klima andauern, ist zu befürchten, dass Mai 2014 für die Populisten zum gefundenen Fressen wird.

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