Protest gegen die Goldmine in Roşia Montana. Bukarest, 2. September 2013.

Roşia Montana – Eine goldene Geschichte, die das Land vergiftet

Die rumänische Regierung plant ein Gesetz, das in einer der größten Minen Europas den Goldabbau mit Hilfe von Blausäuresalz erlauben soll. Die Medien schweigen bislang zu diesem Vorhaben, aber die Proteste gegen das wirtschaftsorientierte Projekt nehmen zu.

Veröffentlicht am 5 September 2013 um 14:51
Protest gegen die Goldmine in Roşia Montana. Bukarest, 2. September 2013.

Manche derart politischen Bewegungen sind derart unkreativ, dass es ihnen sogar gelingt, Menschen auf dieselbe Seite der Barrikaden zu schlagen, deren Werte und Ansichten sonst Lichtjahre voneinander entfernt sind.

Im Winter des Jahres 2012 sind wegen eines Gesetzesentwurfs im Gesundheitswesen Aktivisten von NGOs, Nationalisten, Antikapitalisten, Ultranationale, Umweltschützer und Feministinnen gemeinsam auf die Straße gegangen. Eine ähnliche Wirkung hat auch das Gesetz über die Goldförderung in Roşia Montana errzielt, das die rumänische Regierung jüngst verabschiedet hat.

So wurde der Ort Roşia Montana, der bislang vor allem vor allem für Umweltschützer ein Thema war, zu einem Anliegen von öffentlichem Interesse. Die Bedeutung der am 1. September begonnenen Proteste geht über die punktuelle Frage der Goldförderung in Roşia Montana hinaus - [[zur Debatte stehen dabei Fragen wie das Modell der wirtschaftlichen Entwicklung, die Rechtsetzung und die Demokratie an sich.]]

Gemeinsamer Protest mit unterschiedlichen Interessen

Die nationalistischen Gruppierungen werden vom traditionellen Slogan „wir verkaufen unser Land nicht” auf die Straße gelockt, die Rechtsliberalen wollen die Grenzen des Rechtsstaates ausloten und die Verletzung der Eigentumsrechte anprangern, die Antikapitalisten kömpfen gegen Privilegien für Großunternehmen.

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Wie und warum konnte es überhaupt zu dieser spontanen Mobilisierung kommen? Erstens, weil ein Gesetz eine größere Sichtbarkeit hat als technische Gutachten. [Das Unternehmen Rosia Montana Gold Corporation RMGC] wollte alles auf einmal bekommen und dafür bürokratische Hürden einfach überspringen.

Leider gilt hier aber der Spruch Eile mit Weile: Gesetzesentwürfe ermöglichen eben eine viel stärkere Mobilisierung, als unsichtbare Anweisungen eines Ministers. Das beweist auch die Tatsache, dass es die USL- Regierung (Uniunea Social Liberală, Sozialliberale Union) versäumt hat, die Gesundheitsreform mit einem einzigen Gesetz zu vollziehen und sich stattdessen für teilweise Änderungen entschieden hat.

Dann geht es noch um die Bestimmungen in diesem Gesetz, die es geschafft haben, selbst jene in Rage zu versetzen, die eigentlich für die Goldförderung in Rosia Montana sind. Durch dieses Gesetz kann RMGC sogar zum vom rumänischen Staat benannten Vertreter für das Enteignungsverfahren werden - und könnte so die Enteignung jedes Anwohners vollziehen, der sich weigert, sein Land an das Unternehmen zu verkaufen.

Per definitionem ist diese Befugnis allein dem Staat vorbehalten, nämlich durch das Monopol der legitimen Gewaltausübung, das er innehat. Diese wurde aber einfach auf ein privates Unternehmen übertragen. Was soviel bedeutet, dass RMGC in nur 45 Tagen nach der Beantragung dieser Befugnis zum Besitzer jener unbeweglichen Güter werden könnte, die für das Bergwerk notwendig sind und dem rumänischen Staat gehören. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit sieht vor, dass wenn eine Stellungnahme zum Projekt vor Gericht abgewiesen wurde, die rumänischen Behörden verpflichtet sind, in binnen spätestens 30 Tagen eine neue Stellungnahme zu erlassen.

[[Die Proteste haben um die 15000 Menschen auf die Straße getrieben - in Bukarest und landesweit ein Zeichen für Optimismus.]] Vor allem wenn man weiss, dass RMGC Millionen in die Pressekonzerne gepumpt hat und sich somit die Fernsehsender Untertan gemacht hat, die ja mehrheitlich regierungsfreundlich sind, was den Informationsaustausch über die sozialen Netzwerke die Mobilisierung verstärkt hat.

Manipulationsstrategie der Medien?

Bemerkenswert war auch das Schweigen der meisten Fernsehsender, die während der Proteste einfach Nachrichten über die Einweisung des Königs Iulian ins Krankenhaus (B1TV), Elodies Mutter (RTV) oder den neugeborenen Enkel des Päsidenten Traian Basescu (ProTV) gesendet haben.

Kann es uns vor diesem Hintergrund noch wundern, dass so viele Rumänen das Projekt Rosia Montana unterstützen? Wie durch Zufall hat die Presse just am Tag der Proteste eine Umfrage von Sociopol veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass 70% der Rumänen das Projekt unterstützen.

Ist das Manipulation? Die Zahlen sind wahrscheinlich nach oben korrigiert worden. Aber was spielt das noch für eine Rolle? Welches Gewicht kann eine Meinungsumfrage haben, die unter Bedingungen der Desinformation erstellt durchgeführt wurde? Das selbe wie auch die 99% Ja-Stimmen für politische Führungspolitiker aus autoritären Staaten, wo die Pressefreiheit nicht gilt. Dass jene auf die Straße gegangen sind, die schon 2012 demonstriert haben, sollte denen zu denken geben, die gerne die Verschwörungstheorie” bemühen.

Die Geburt einer zivilgesellschaftlichen Opposition

Wenn es tatsächlich die selben Menschen sind, wie steht es dann mit dem Modell „von der USL gekaufte Demonstranten”, denn jetzt stellt ja die USL die Regierung? Wer hat denn dann gestern die Menschen auf die Straße gebracht? Die Antwort ist ganz einfach: die gesamte politische Klasse.

Es ist womöglich schmerzhaft, unzulässig, ja ärgerlich für die Politiker und Analysten, Zeugen eines in der Post-Revolutionären Zeit bislang ungekannten Phänomens zu werden: der Geburt einer wirklichen Opposition innerhalb der Zivilgesellschaft.

Einige Tausend Menschen sind nicht zu vergleichen mit den Hunderttausenden, die in Frankreich oder Portugal auf die Straße gehen, aber für rumänische Standards, wo die Lähmung der Zivilgesellschaft oftmals erdrückend ist, bedeutet dies einen riesigen Schritt vorwärts.

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