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Unnötige Bürokratie oder Regulierung?

Euroskeptiker beschweren sich lauthals über Brüssels Bürokratiewahn, insbesondere seitdem ein britischer Bericht sich näher mit der Sache beschäftigt hat. Doch nicht jede Bürokratie ist schlecht. Es muss unterschieden werden zwischen nutzlosem Papierkram und effizienten Regulierungen zum Schutz der Arbeitnehmer.

Veröffentlicht am 15 Oktober 2013 um 14:49

Unnötige Bürokratie oder Regulierung? Das eine unterscheidet sich vom anderen sehr und diese Abgrenzung ist wichtig. Niemand will den Amtsschimmel reiten. Allein schon der Begriff gibt zu verstehen, dass er nicht wünschenswert ist. Regulierung ist etwas anderes. Im Gegensatz zur Bürokratie ist Regulierung nicht von Grund auf das eine oder das andere. Manches ist gut. Anderes ist schlecht. Das meiste ist eine Mischung aus beidem. Alles hängt von der Regulierung ab – und davon, was überhaupt reguliert wird.

Es spricht nichts gegen eine Debatte über Regulierung. Doch ist in der Debatte von Bürokratie und Amtsschimmel die Rede, wird immer der Verdacht herrschen, dass sie nur als Vorwand dient, um sowohl gute als auch schlechte Regulierungen in einem Aufwasch fortschwemmen zu wollen.

Gibt es einen Mittelweg?

Der Bericht, den die britische Regierung letzten Dienstag über Bürokratie in der EU veröffentlichte, ist ein typisches Beispiel. Da niemand für die Bürokratie ist, können die Forderungen der Business Taskforce, die EU-Variante davon drastisch zu reduzieren, auf den ersten Blick als gesunder Menschenverstand durchgehen. Fängt man an, sich die Details des Berichts ein bisschen näher anzusehen, werden die Dinge allerdings sehr viel problematischer. Bei den aufgeworfenen Fragen geht es weniger um Bürokratie als vielmehr darum, ob ein Mittelweg zwischen den ökonomischen Interessen der Arbeitgeber und den sicherheitsorientierten Interessen der Arbeitnehmer gefunden werden kann.

Regulierungen in Gesundheits- und Sicherheitsbelangen etwa könnten für klein- und mittelständische Betriebe tatsächlich eine zu mühsame Übung sein, wie die Arbeitsgruppe behauptet. Sie könnten jedoch auch ein Mittel sein, um vermeidbaren Verletzungen und Berufsrisiken, vielleicht sogar Todesfällen vorzubeugen. [[Die Debatte muss zwischen den beiden Konzepten einen Mittelweg finden]]. Dasselbe gilt für viele der anderen regulierten Bereiche, die in dem Bericht erwähnt werden – Datenschutz, nichtfinanzielle Berichterstattung, Lehrlingsausbildung, schwangere Arbeitnehmerinnen, Arbeitszeiten und Leiharbeitnehmer. In allen Fällen ist eine Debatte durchaus legitim.

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Verzerrte Sichtweise

All diese Themen unter der Überschrift Bürokratie zusammenzuwerfen, ist schlicht und einfach irreführend. Es verzerrt auch unsere Sichtweise der EU. So wie die britische Debatte gestaltet ist, würde man es zwar nie vermuten, doch vieles, was als EU-Regulierung abqualifiziert wird, ist eine oft (gut, manchmal auch weniger) effiziente Bemühung, die Dinge zu vereinfachen und nicht zu verkomplizieren – und dabei 28 separate Nationalsysteme durch ein gemeinsames System zu ersetzen. [[Wenn die EU bestimmte Bereiche nicht regulieren würde, dann würden es die Landesregierungen gewiss selbst tun, jede auf ihre eigene Art]].

Dadurch, dass sie die europäische Debatte als Bürokratie darstellen, verschaffen sich rechtsorientierte Parteien selbst einen politischen Vorteil, denn drei Viertel aller EU-Bürger finden, es gibt zuviel davon. Es besteht kein Zweifel daran, dass Amtsschimmel und Bürokratie echte Probleme sind. Die Europäische Kommission – die von Großbritannien und Deutschland das Konzept übernommen hat, für jede neue Vorschrift eine alte abzuschaffen – gibt das heute zu. Linkslastige Parteien brauchen auch eine kraftvolle Strategie gegen die Bürokratie. Doch der Versuch, den Sozialschutz unter dem Deckmantel eines Angriffs gegen übermäßige Bürokratie zu vermindern, sollte nicht dazu gehören.

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