Brussels Leaks sucht Europas Geheimnisse

Eine selbstfinanzierte Gruppe ehemaliger EU-Beamter und in Belgien ansässiger Angestellter im NRO-, Medien - und PR-Bereich hat eine EU-Version von Wikileaks aufgebaut. Ähnliche Enthüllungsplattformen schießen seit Beginn des Cablegate wie Pilze aus dem Boden.

Veröffentlicht am 14 Dezember 2010 um 12:34

Das am 9. Dezember eröffnete Brusselsleaks.com hat eine Homepage auf der Blog-Plattform WordPress und fordert dazu auf, brisante EU-bezogene Dokumente mittels eines verschlüsselten Kontaktformulars anonym einzusenden.

Anders als Wikileaks will Brussels Leaks nichts selbst veröffentlichen, sondern vielmehr die Echtheit der Dokumente überprüfen und sie an ausgewählte Medien weiterleiten.

Die Website beabsichtigt, den ersten Schwung Akten im Verkehrs- und Energiesektor bald herauszugeben. „Wir haben schon ein paar Einsendungen über die Website bekommen, was ein gutes Zeichen ist“, berichtet eine Kontaktperson bei Brussels Leaks.

Für mehr Transparenz in Brüssel

„Unsere Einstellung ist die, dass die EU sehr viel Gutes ausrichten kann, die Leute ihr jedoch misstrauen – zu Recht, weil so vieles hinter verschlossenen Türen abzulaufen scheint. Indem wir auf ihre Fehler und insbesondere darauf aufmerksam machen, hoffen wir, dass die EU-Institutionen nicht nur an einer besseren Transparenz arbeiten, sondern auch sicherstellen, dass die Stimme des Bürgers deutlich die Stimme der Industrie übertönt, die derzeit in Brüssel viel zu viel Einfluss hat.“

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Die Kontaktperson fügt hinzu, dass in der EU-Hauptstadt „sehr oft Dokumente enthüllt werden“, jedoch angesichts der relativ geringen Anzahl an EU-Beamten und Diplomaten in der Stadt vor ihrer Veröffentlichung zurückgescheut wird, um nicht die Quellen zu verletzen.

Das bis jetzt anspruchsvollste Projekt seit dem Cablegate ist wohl OpenLeaks. Die in Deutschland von Daniel Domscheit-Berg, dem unzufriedenen Mitbegründer von Wikileaks , eingerichtete Website will mit ihrer Verschlüsselungssoftware Organe wie Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen und Medien ansprechen, damit die Whistleblower selbst entscheiden können, wem sie die geheimen Unterlagen anvertrauen.

BalkanLeaks deckt Korruption und organisiertes Verbrechen auf

In einem Interview mit der Deutschen Welle erklärte Domscheit-Berg am Dienstag, OpenLeaks richte „Mechanismen“ ein, um sicherzustellen, dass niemand die Instrumente zur Einrichtung „geschlossener“ Netzwerke nutzen kann. Eine angegliederte OpenLeaks-Stiftung soll auch Lobbying für Gesetze zugunsten von mehr Transparenz in Deutschland betreiben.

Eine weitere seit dem Cablegate gelaunchte Website, BalkanLeaks.eu, hat ihren Sitz in Bulgarien, verwendet aber Server in Kanada und will sich auf organisiertes Verbrechen und Korruption auf hoher Ebene innerhalb der Region konzentrieren. „Es gibt eine Menge Leute, die den Balkan endgültig ändern wollen und bereit sind, die Herausforderung anzunehmen. Wir bieten ihnen unsere Hilfe an“, erklären die Betreiber der Website auf ihrer Homepage.

Aus dem Englischen von Patricia Lux-Martel

Wikileaks

Europa wappnet sich für den Cyberkrieg

„Machen Sie sich auf einen totalen Cyberkrieg gefasst“, titelt The Independent und berichtet, die britische Regierung erwarte „einen lähmenden Angriff auf die Webseiten der Behörden“. Nach Angaben der britischen Tageszeitung handle es sich dabei um eine mögliche Retorsionsmaßnahme gegen die Verhaftung des Mitgründers von Wikileaks, Julian Assange, am 7. Dezember in London. Die Behörden haben zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen, insbesondere diejenigen, die mit Zuschüssen oder mit dem Finanzamt zu tun haben.

Weiter, so stellt die französische Libération fest, „wurden infolge der wiederholten Angriffe auf Wikileaks viele Spiegelserver gebildet, also Websites, die die gesamten Daten auf ihrem Host bereithalten (momentan knapp 1700, doch die Zahl steigt stetig)“. Der Trend ist zwar global, doch Europa, gefolgt von Nordamerika, sind die beiden wesentliche Host-Kontinente: „Deutschland, Belgien und die Niederlande sind die Länder mit den meisten Spiegelservern, vor allem in den Großstädten, in Berlin, Amsterdam, Brüssel und im Ruhrgebiet“, berichtet Libération weiter.

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