Es wird Zeit für eine echte Lösung

Diverse Rettungsaktionen und das Aufkaufen von Staatsschulden durch die EZB konnten bis jetzt die Krise in der Eurozone nicht beenden. Das europäische Spitzenfeld muss sich jetzt einen klaren Plan und einen zuverlässigen Entscheidungsprozess einfallen lassen, so schreibt ein polnischer Wirtschaftswissenschaftler.

Veröffentlicht am 16 Dezember 2010 um 15:28

Heute ist deutlich zu erkennen, wie provisorisch und ineffizient die vor einigen Monaten getroffenen Entscheidungen waren. Es geht gar nicht darum, ob genügend Mittel für die Rettung der krisengebeutelten Staaten eingesetzt wurden oder nicht, sondern vorwiegend darum, dass diese Beschlüsse die Probleme nur hinausgeschoben und nicht etwa gelöst haben.

Die so genannten Randstaaten der Eurozone haben strukturelle Probleme und dementsprechend ist ihre Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig. Dazu kommen massive Staatschulden, die aus heutiger Sicht wahrscheinlich niemals in voller Höhe zurückgezahlt werden können. Die Verzögerung von Reformen – oder so zu tun als seien sie nicht wirklich nötig – hat das Problem nur verschlimmert. Die Kernfrage ist jedoch die fehlende Strategie.

Die Aufgabe der EZB besteht nicht darin, verschuldete Länder zu retten

Es ist heute nämlich auch deutlich zu erkennen, dass die Staaten der Eurozone zur Rettung der Mitgliedsstaaten aus Liquiditätskrisen keine klare Strategie ausgearbeitet und ausdiskutiert haben. So lange das Problem einen kleinen Randstaat betrifft, können die anderen Mitgliedsstaaten noch relativ schnell genügend Geld hinblättern, um die finanziellen Bedürfnisse dieses Landes für die kommenden paar Jahre zu decken. Doch wenn ein größeres Land in Schwierigkeiten gerät, dann könnten die Mittel, die den wirtschaftlich gesünderen Mitgliedsstaaten zur Verfügung stehen, durchaus nicht mehr ausreichen.

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Es ist heute ganz klar, dass niemand das Szenario ernsthaft analysiert hat. Der Gedanke, dass die Schulden der belasteten Wirtschaftssysteme von der Europäischen Zentralbank übernommen werden sollen, ließ sich vor ein paar Monaten noch als Notlösung rechtfertigen, kann jedoch keinesfalls als systemische Lösung betrachtet werden. Vor allem, weil die Aufgabe der EZB nicht darin besteht, verschuldete Länder zu retten, sondern darin, die Stabilität der gemeinsamen Währung zu garantieren. Obwohl die EZB betont, dass sie Geldüberhänge vom Markt nimmt oder sie, wie es im Wirtschaftsjargon heißt, „sterilisiert“, untergräbt allein schon die Tatsache, dass die EZB andere Ziele als die Preisstabilität verfolgt, ihre Glaubwürdigkeit. Und auf eben dieser Glaubwürdigkeit, bzw. ihrem Mangel daran, bauen die Verbraucher ihre inflationären Erwartungen auf.

Das „Super-Duo“ Merkel-Sarkozy trifft die Entscheidungen in der EU

Ein weiteres ernstes Thema ist das Fehlen eines eindeutigen Entscheidungszentrums in der EU. Es gibt drei solche Machtzentren: Kommissionspräsident Barroso, Ratspräsident Van Rompuy und das „Super-Duo“ Merkel-Sarkozy. Die beiden erstgenannten versuchen, an einer geschlossenen Lösung für alle Mitgliedsstaaten zu arbeiten, und finden dann plötzlich heraus, dass bei einem Merkel-Sarkozy-Gipfel schon alles für sie entschieden wurde. Das wäre vielleicht gar nicht so schlimm, wenn die Vorschläge auf gleicher Linie lägen. Leider werden jedoch zwischen den beiden extremen Ansätzen, der Transferunion und der Union unabhängiger Staaten, Kompromisse geschlossen. Und solche Kompromisse führen selten zu sinnvollen Lösungen.

Die Angst vor einem möglichen Aufbrechen der Eurozone könnte schlussendlich dazu beitragen, einen vernünftigen Ausweg aus der Malaise zu finden. Die Finanzmärkte glauben den europäischen Politikern nicht mehr. Sie reagieren nicht mehr auf die aufeinanderfolgenden Rettungspakete. Und Berlin ist in der Tat dagegen, weitere Mittel zur Rettung Spaniens aufzubringen. Heute müssen die europäischen Spitzenpolitiker entscheiden, ob die Rückzahlung der von den belasteten Mitgliedsstaaten aufgenommenen Schulden aufgeschoben werden soll.

Deutschland hat am meisten vom Euro profitiert

Die Aussicht auf den Zusammenbruch der Eurozone löst nicht nur in ihren Randstaaten sondern auch in ihren größten Wirtschaftssystemen Befürchtungen aus. Denn diese haben in Wirklichkeit am meisten von der Einführung der gemeinsamen Währung profitiert. Es ist dem Euro zu verdanken, dass Deutschland innerhalb von zehn Jahren zum weltgrößten Exporteur wurde. Über 40 Prozent der deutschen Exporte gehen an andere Mitglieder der Eurozone. Sollte es zum Ende des Euro kommen und würden die Landeswährungen heute wieder eingeführt, dann bekäme die D-Mark die höchste Wertung. Deutschland würde seine ganze Wettbewerbsfähigkeit verlieren, während die Krisenländer sie zurückgewinnen würden.

Paradoxerweise hat Deutschland am meisten vom Euro profitiert und sollte alles tun, um das große europäische Projekt zu retten. Um das zu erreichen, sind harte, entscheidende Maßnahmen nötig, keine halbgegorenen Kompromisse, die die Probleme nur hinauszögern. (p-lm)

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